Es sind wieder Hochschulwahlen an der TU Chemnitz und ihr als Studierende seid gefragt

Als Studierende könnt ihr eure Vertreter*innen in den Senat, den Erweiterten Senat und die Fakultätsräte wählen. In diesen Gremien können die gewählten Vertreter*innen Einfluss auf Hochschulrelevante Entscheidungen nehmen. Sie vertreten

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Die Kandidat*innen für die Senatswahl 2023

Die Senatswahl 2023 der TU Chemnitz steht bevor. Damit ihr wisst wen ihr da überhaupt wählen könnt haben wir die einzelnen Listen gebeten sich vorzustellen und zeigen euch hier die Antworten.

Ihr wisst noch nicht worum es bei der kommenden Wahl geht? Hier haben wir euch eine Übersicht mit den zu wählenden Ämtern zusammengestellt.

1. Wahlvorschlag – TUCunited

1. Lehre und Studium an den aktuellen Standard anpassen: Mit der Gesetzesänderung im Frühjahr dieses Jahres hat der Gesetzgeber den sächsischen Hochschulen neue Möglichkeiten an die Hand gegeben. Aus unserer Sicht ist jetzt das Ziel, die Studienbedingungen an der TU Chemnitz durch eine Rahmenstudien- und -prüfungsordnung anzugleichen und dadurch auch die Studierbarkeit allgemein zu verbessern. Die Umsetzung soll partizipativ mit allen Verantwortlichen der Hochschule geschehen. Dabei sollen auch positive Erfahrungen aus den Digitalsemestern Einzug in reformierte Studiengänge finden.

2. Zielstrebige Umsetzung für eine nachhaltige Universität: Grundsätzlich hat sich sowohl das Rektorat als auch der Senat schon auf den Weg gemacht, die Universität nachhaltiger zu gestalten. Dennoch müssen diese Bemühungen konsequent umgesetzt werden. Klimaschutz muss einer der zentralen Entscheidungskriterien aller Gremien werden, insbesondere im Senat.

3. Bunte und offene Hochschule – klare Kante gegen Rassismus und Diskriminierung: Rassismus und Diskriminierung dürfen an unserer Hochschule keinen Platz haben. Dies gilt auch auch insbesondere für Gremienbesetzungen, die durch den Senat durchgeführt werden. Hier werden wir jede_n Kandidat_in genau unter die Lupe nehmen und uns gegen Personen stellen, deren Positionen unsere offene und von Akzeptanz geprägte Universität bedrohen. Wir sind bunt und das muss auch so bleiben, dafür stehen wir als studentische Vertretung im Senat. Diskriminierung ist keine Meinung!

Daniel Poguntke
Marius Hirschfeld

Das sind die Kandidat*innen für den Senat:
Daniel Poguntke: An meiner Universität möchte ich gerne studieren und auch Kultur genießen. Genau ein solcher Ort soll die Universität für alle sein. Die Kulturhauptstadt ist eine hervorragende Möglichkeit für die Universität, ihr buntes und diverses Profil zu zeigen. Außerdem soll die Universität die Akkreditierung ihrer Studiengänge weiter konsequent verfolgen, um u. a. eine angemessene Prüfungslast zu erreichen. So ist auch mehr Zeit für eine lebhafte Campuskultur 😉

Marius Hirschfeld: Der Senat hat leider nur noch wenig Einfluss auf die Gestaltung eines konkreten Studiengangs. Umso wichtiger ist es, dass wir in der neuen Rahmenstudien- und -prüfungsordnung studifreundliche Regelungen durchsetzen, die dann auch für alle gelten. Das sehe ich als unsere größte Aufgabe an. Außerdem werde ich wieder einen genauen Blick auf alle Personen werfen, die vom Senat in diverse Gremien gesetzt werden. Dabei stelle ich mich gegen Personen, die nicht für eine bunte und offene Hochschule stehen.

***English Version***
1. Adapt teaching and study programmes to current standards: With the amendment to the law in the spring of this year, the legislator has given the Saxon universities new possibilities. From our point of view, the aim now is to harmonize the study conditions at Chemnitz University of Technology by means of framework study and examination regulations, thereby also improving studyability in general. The implementation should be carried out in a participatory manner with all those responsible at the university. Positive experiences from the digital semesters should also be incorporated into reformed degree programs.

2. Purposeful implementation for a sustainable university: In principle, both the Rectorate and the Senate have already set out to make the university more sustainable. Nevertheless, these efforts must be implemented consistently. Climate protection must become one of the central decision-making criteria for all committees, especially in the Senate.

3. Colorful and open university – Clear edge against racism and discrimination: Racism and discrimination must have no place at our university. This especially applies to the appointment of committees by the Senate. Here we will scrutinize every candidate and take a stand against persons whose positions threaten our open and accepting university. We are colorful and we must remain that way, that is what we stand for as student representatives in the Senate. Discrimination is not an opinion!

These are the candidates for the Senate:
Daniel Poguntke: I would like to study and also enjoy culture at my university. The university should be such a place for everyone. The Capital of Culture is an excellent opportunity for the university to showcase its colorful and diverse profile. In addition, the university should continue to consistently pursue the accreditation of its degree programs in order to achieve an appropriate exam load, among other things. This also leaves more time for a lively campus culture 😉

Marius Hirschfeld: Unfortunately, the Senate has little influence on the design of a specific degree program. This makes it all the more important that we enforce study-friendly regulations in the new framework study and exam regulations, which then also apply to everyone. I see this as our biggest task. I will also take another close look at all the people who are appointed to various committees by the Senate. In doing so, I will oppose people who do not stand for a diverse and open university.


2. Wahlvorschlag – Die beste Liste

Franz Haase, Toni Brundisch

Liebe Mitstudierende,

wir kandidieren als studentische Vertreter für den Senat der TU Chemnitz, weil wir eure Interessen gegenüber der Uni optimal vertreten wollen. Als Studierende haben wir eine einzigartige Perspektive auf die Herausforderungen und Chancen, denen wir an unserer Universität gegenüberstehen.

Das ist uns besonders wichtig:

1. Digitalisierung:

Um die in der Pandemie gewonnenen digitalen Strukturen auch weiterhin ideal nutzen zu können, ist die Bereitstellung von entsprechender Hardware für Prüfungen, Vorlesungen, Seminare, Meetings und Gruppenarbeiten essentiell. Darüber hinaus setzen wir uns für die Beschaffung von Lizenzen für studienrelevante Software ein, um ein optimales akademisches Arbeiten zu ermöglichen.

2. Studentisches Engagement stärken:

Da die Uni vom studentischen Engagement lebt, ist es unser Bestreben dieses Ehrenamt durch mehr Wertschätzung stärker zu honorieren und euch somit für die Gremienarbeit an der Hochschule (für eure Interessen), ob in StuRa, FSRä, Kommissionen aller Art, etc., zu gewinnen.

3. Transparenz und Kommunikation:

Wir streben eine transparente Kommunikation im Senat auf Augenhöhe an, um euren Interessen im Gremium Gehör zu verschaffen.

4. Studienbedingungen verbessern:

Es ist uns wichtig, dass die Studienbedingungen an der TU Chemnitz den höchsten Qualitätsstandards entsprechen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Infrastruktur und die digitalen Ressourcen ständig verbessert werden.

5. Vielfalt und Inklusion:

Jeder sollte die Möglichkeit haben, an unserer Universität erfolgreich studieren zu können. Wir werden uns für eine diversitätsbewusste Hochschule einsetzen, die allen Studierenden Chancengleichheit bietet, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, sozialem Hintergrund oder weiteren Merkmalen.

***English Version***

Dear fellow students,
We are running as student representatives for the TU Chemnitz Senate because we want to represent your interests towards the university in the best possible way.
As students, we have a unique perspective on the challenges and opportunities we face at our university.
This is particularly important to us:

1. Digitalization:
In order to be able to continue to make ideal use of the digital structures gained during the pandemic, the provision of appropriate hardware for exams, lectures, seminars, meetings and group work is essential. In addition, we are committed to obtaining licenses for study-related software to enable optimal academic work.

2. Strengthen Student Engagement:
Since the university thrives on student engagement, it is our ambition to honor this honorary office more strongly through greater appreciation and thus to win you over for committee work at the university (for your interests), whether in StuRa, FSR, commissions of all kinds, etc.

3. Transparency and Communication:
We strive for transparent communication in the Senate at eye level in order to make your interests heard in the committee.

4. Improve Study Conditions:
It is important to us that the study conditions at Chemnitz University of Technology meet the highest quality standards. We will work to ensure that the infrastructure and digital resources are constantly improved.

5. Diversity and Inclusion:
Everyone should have the opportunity to study successfully at our university. We will advocate for a diversity-conscious university that offers equal opportunities to all students, regardless of gender, origin, social background or other characteristics.


3. Wahlvorschlag – VWI

Marc Preße, Arne Strobel

Wir sind Marc Preße und Arne Strobel, wir studieren beide im Bachelor Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Chemnitz und sind Vorstände in der Hochschulgruppe Chemnitz des Verbandes deutscher Wirtschaftsingenieure e.V. und treten für euch zur Wahl an.

Wir stehen für eine nachhaltige und vielseitige TU Chemnitz mit vielen motivierten und zufriedenen Studierenden und brauchen dafür eure Unterstützung.

Zu einem lebenswerten Campus gehören aus unserer Sicht ansprechende und gut ausgestattete Lernräume, individuelle Rückzugsorte an allen Uniteilen für alle Studierenden. Diese räumlichen Bedingungen sind aus unserer Sicht Grundvoraussetzung, um optimal lernen und den stressigen Unialltag produktiv gestalten zu können. Neben Lernräume zur individuellen Nutzung, gilt es auch für die Arbeit in Lerngruppen Voraussetzungen zu schaffen.

Da uns eine bessere Semesterplanung für euch wichtig erscheint, setzen wir uns außerdem für die Veröffentlichung der Prüfungspläne zu Semesterbeginn ein.

Um fallenden Studierendenzahlen entgegenzuwirken, sehen wir eine gelungenere Außendarstellung unserer ausgezeichneten Universität als grundlegend an. Es ist wichtig das Potential der Kulturhauptstadt Europas 2025 zu nutzen, einerseits um die Bedeutung der Universität für die Stadt Chemnitz darzustellen aber auch andererseits, um das studentische Leben in der Stadt attraktiver, bunter und lebendiger zu machen.

Eine offene Kommunikation ist für uns Arbeitsgrundlage. Wir möchten euren Anliegen, Problemen, Wünschen und Ideen Gehör verschaffen, diese aufgreifen, voranbringen und Lösungsansätze finden.

Wir würden uns geehrt fühlen, euch eine starke Stimme im Senat, dem höchsten Gremium unserer Universität, geben zu dürfen. Wir würden uns freuen, euch im Senat vertreten zu dürfen.

Dafür benötigen wir eure zahlreiche Unterstützung.

***English Version***

We are Marc Preße and Arne Strobel, we are both studying Industrial Engineering and Management at TU Chemnitz and are board members of the Chemnitz University Group of the Association of German Industrial Engineers and are up for election on your behalf.

We stand for a sustainable and diverse TU Chemnitz with many motivated and satisfied students and need your support to achieve this.

In our view, a campus worth living on includes attractive and well-equipped learning spaces and individual retreats in all parts of the university for all students. In our view, these spatial conditions are a basic prerequisite for optimal learning and being able to manage the stressful everyday university life productively. In addition to study rooms for individual use, it is also important to create conditions for working in study groups.

As we believe that better semester planning is important for you, we are also committed to publishing examination schedules at the start of the semester.

In order to counteract falling student numbers, we consider a more successful external presentation of our excellent university to be fundamental. It is important to use the potential of the European Capital of Culture 2025 to showcase the importance of the university for the city of Chemnitz, but also to make student life in the city more attractive, colorful and lively.

Open communication is the basis of our work. We want to make your concerns, problems, wishes and ideas heard, take them up, promote them and find solutions.

We would be honored to give you a strong voice in the Senate, the highest body of our university. We would be delighted to represent you in the Senate.
For this we need your numerous support.

Nasskalt.

*****Triggerwarnung: Psychische Erkrankungen, Depression*****

Hier ist er. Der Winter. Lange Nächte, kurze Tage. Die Farbe des Himmels wechselt die Grautöne, die Lage des Wetters wechselt zwischen bewölkt, windig, Schneeregen und Schnee. Ich starre durch das Fenster nach draußen und mache eine gedankliche Notiz, meine Tageslichtlampe zu reaktivieren.

 

“Mit Beginn des Novembers fühle ich mich auf seltsame Weise zu dem dunklen Teil meiner Garderobe hingezogen. Ich habe viel zu tun, aber bleibe lieber liegen. Statt nach dem ersten Klingeln des Weckers aufzustehen, drücke ich die Schlummertaste 100 mal und prokrastiniere so lang vor mich hin bis ich mir einreden kann, dass es eh nicht mehr viel bringen würde noch mit Unisachen anzufangen. Meine Konzentrationsfähigkeit sinkt auf ein Minimum, mein Kopf fühlt sich an als wäre er statt mit grauen und weißen Zellen mit Watte ausgekleidet. 

Der Drang nach Veränderung wächst. Haare färben? Piercing? Tattoo? Küche renovieren? Neue Gardinen im Schlafzimmer? Ach, warum nicht einfach alles zusammen?  Mit der Umgestaltung äußerer Umstände bzw. meiner äußeren Entscheidung verdränge ich meine eigentliche Unzufriedenheit, die sich aus den Tiefen meiner inneren Abgründe langsam nach außen frisst. Sie nagt, sie knabbert, sie kaut auf meiner Lebkuchenhausfassade herum. Die Löcher kann ich nur noch schlecht mit ein bisschen Puderzuckerguss und Gummibärchen flicken. Aber wer mein Haus kennt, weiß, dass die Fassade bröckelt. Fragen wie: “Wie geht`s dir?” oder “Alles in Ordnung?” kann ich nicht mehr weglächeln oder übergehen. Komplimente wie “Du siehst viel lebendiger aus!” nicke ich ab und denke mir meinen Teil. Ich fühle mich nicht lebendig. Das hier fühlt sich auch nicht wie mein Leben an, sondern nur so, als würde ich zusehen, daneben stehen und ein paar unqualifizierte Bemerkungen aus dem Off machen. Fühlen ist auch das falsche Wort. Ich fühle auch nichts mehr. Jedenfalls nicht so wie vorher. Vielleicht habe ich auch den Zugang zu meinen Gefühlen verloren. Ich weiß es nicht. Es ist alles so wie das Wetter, kurze Tage, lange Nächte, wechselnde Grautöne.”

Frau Krause schaut erst meine Betreuerin, dann mich an. Ihre Augen sind mit Tränen gefüllt, aber auffallend leer. Sie liegen tief in den Höhlen, ihre Wangen sind eingefallen. Sie sitzt nach vorn gebeugt, eher geknickt auf ihrem Stuhl, die Hände liegen in ihrem Schoß, sie nestelt an ihren Fingern herum. Der Monolog war die Antwort auf die Frage warum sie hier sei. Mit “hier” ist die ambulante psychotherapeutische Praxis gemeint, in der ich aktuell mein Praktikum absolviere. Frau Krause ist in einem ähnlichen Alter, irgendwo Anfang 20, irgendwo zwischen Studium, Nebenjob und WG- Leben. Wenn Frau Krause und ich uns nicht hier kennengelernt hätten, dann sicher auf einer Feier in einem der Studiclubs am Campus. Frau Krause und ich hätten Freundinnen sein können. 

Aber hier sitzen wir. Drei Frauen in einem Raum, ein Zettel, ein Stift, eine Box mit Taschentüchern, eine Monstera in der Ecke. Man sieht Frau Krause an, dass es ihr nicht gut geht, wenn man ein bisschen Ahnung hat. Die im Raum stehende Scham ist erdrückend. Frau Krause schämt sich dafür, hier zu sitzen. Bei Menschen, die ihr helfen können. Sie schämt sich, dass sie professionelle Hilfe bei ihren Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen, in ihrem Alltag braucht. 

So viele Menschen schämen sich dafür, obwohl es ganz normal ist. So viele Menschen fühlen sich anders, nicht “normal” und wie ein Fehler im System. Scham und psychische Erkrankungen gehen Hand in Hand. Physische Erkrankungen hingegen sind komplett akzeptiert. Es ist vollkommen normal, sich bei Erkältungen, verstauchten Knöcheln oder Rückenschmerzen professionelle Hilfe zu suchen. Niemand hinterfragt einen Gips, alle wollen darauf unterschreiben. Bei psychischen Erkrankungen sieht das ganz anders aus: ungewollte, unempathische Fragen oder Bemerkungen wie “Ach, aber dir gehts doch gut. Sei nicht so undankbar”, oder “steh halt einfach eher auf und geh zum Sport” sind Gang und Gebe. Vermeintliche Ursachenfaktoren: falsche Ernährung, fehlende Vitamine, zu wenig Sport und mein absoluter Favorit bei Kindern und Jugendlichen: das Handy. Während all diese Dinge zur Entstehung einer psychischen Erkrankung beitragen können, so gibt es aber nicht DEN EINZIGEN FAKTOR, auf den alles zurückzuführen ist. Es ist eher wie beim Schach: am Anfang geht der Bauer verloren, irgendwann die Pferde, dann der Turm, die Dame und zack: Schachmatt. Aber wie auch bei einem Schachspiel ist der Weg dahin nicht immer gleich und verallgemeinerbar, deshalb sind auch die Lösungen nicht trivial und einfach. 

“Good Vibes Only” ist das Motto dieser Zeit. Es blinkt mir täglich entgegen und ist so toxisch, dass ich mich übergeben möchte. Es trägt dazu bei, dass Menschen sich noch schlechter fühlen. Sie fühlen sich schlecht, weil sie sich schlecht fühlen. Meta-schlecht quasi. Das Empfinden einer ständigen Glückseligkeit ist jedoch utopisch. In einer Gesellschaft, die das ständige Glücklichsein mit permanenten Urlaubsgefühlen als die Normalität anpreist und im Gegenzug den Menschen durch Leistung definiert, ist es wirklich nicht verwunderlich, dass Menschen nicht über ihre Gefühle sprechen wollen, sie verdrängen, sich vor ihnen verschließen und sich selbst belügen. Die Frage nach dem Befinden wird automatisch mit “gut” beantwortet und im schlimmsten aller Fälle mit “passt schon”. Es wird selten nachgefragt und wenn, dann bestehen Antworten aus Ausreden wie “Ach, der ganz normale Wahnsinn” oder “Stress auf der Arbeit”. Die Blicke oder allein die Angst vor den Blicken und Reaktionen der Mitmenschen reichen aus, um die Abwesenheit des Wohlbefindens mit sich selbst auszumachen. Niemand möchte als “verrückt” abgestempelt werden. Heute benutzt man Worte wie “Klapse” oder “Irrenhaus” zwar nicht mehr so oft, jedenfalls nicht in meiner Generation, aber die Vorurteile über psychische Erkrankungen sind tief verwurzelt. Die Aufklärung und Edukation erfolgt nur spärlich und qualitativ auf einem Niveau, das der Moderne nicht angemessen ist. Auch die mediale Auseinandersetzung mit dem Themenbereich ist mehr als dürftig. Reportagen sind einseitig. In den Nachrichten sind nur die schlimmsten aller Ausprägungen psychischer Erkrankungen zu erleben. Psychische Erkrankungen werden über einen Kamm geschert, verallgemeinert und nicht differenziert genug betrachtet. Menschen werden in Schubladen gesteckt, in die sie nicht passen. Kein Wunder also, dass die Scham so groß ist.

Allerdings erstreckt sich unser Gefühlsspektrum nicht ausschließlich in das Positive, sondern eben auch in das Negative. Wenn man sich die Basisemotionen nach Ekman anschaut, dann überwiegen sie sogar. Von den sechs Grundpfeilern unserer Gefühlswelt (jedenfalls nach Ekman) befinden sich zwei auf dem positiven Spektrum: Freude und Überraschung, wobei die Überraschung auch nicht immer gut sein muss. Die anderen – Angst, Trauer, Wut und Ekel, sind in unserer heutigen Gesellschaft negativ konnotiert. Dabei kommt den Gefühlen eine große Bedeutung zu: sie sind Indikatoren für das Überleben. Während wir heute vielleicht nicht mehr vor Säbelzahntigern wegrennen müssen, so jagen uns andere Dinge schreckliche Angst ein. Die Zukunft ist es zum Beispiel bei mir. Mein Studium neigt sich dem Ende entgegen und ich weiß absolut nicht, in welche Richtung ich will – weder geografisch noch fachlich. Die Welt steht mir mehr oder weniger offen, es gibt zu viel Auswahl und gleichzeitig sehe ich am Ende des Studiumtunnels die Arbeitswelt ihre Zähne blecken. Ich bin sicher, Frau Krause geht es ähnlich. Wie gern würde ich ihr sagen, dass ich sie verstehe. Ich kann ihre Gefühle und Gedanken nachvollziehen. Gerade jetzt im Winter. Lange Nächte, kurze Tage. Die Farbe des Himmels wechselt die Grautöne, die Lage des Wetters und meiner Stimmung wechselt zwischen bewölkt, windig, Schneeregen und Schnee. 

“Frau Krause, Sie sind nicht allein auf der Welt mit ihren Problemen”, als könnte meine Betreuerin meine Gedanken lesen, “es geht vielen Menschen ähnlich. Ganz viele Menschen haben mit ähnlichen Symptomen zu kämpfen. Das Gute ist aber, dass wir Ihnen helfen können. Sie sind die ersten Schritte gegangen. Gemeinsam schaffen wir das”. 

Sie sieht uns in einer Mischung aus Unglauben, Trauer und Verlorenheit an. Gedankenschwere, Gedankenkreisen, Gedankenspiralen schwingen in ihren Blicken mit. Sie bleibt still, schnieft kurz und nickt dann kaum merklich während Schneeflocken beginnen zu fallen. “Ich hasse Schnee und Kälte”, murmelt sie vor sich hin und die drei Frauen im Raum wissen, dass damit nicht nur das Wetter gemeint ist. 

Text: Ilka Reichelt

Bild: Francesco Ungaro

Anmerkungen:

Die Charaktere und Dialoge sind fiktiv. Sie sind lediglich an eigene Erfahrungen angelehnt.

Sollte es Dir momentan nicht gut gehen und du Hilfe benötigen, so kannst Du dich zunächst an wichtige Notfalltelefone wenden oder bei der Telefonseelsorge melden.

Brückentagsexildeutsche

„Ich hoffe so sehr, dass wir reinkommen!“

– „Meinst du unsere Chancen stehen gut? Darauf freu’ ich mich schon so lange!“

„Die Schlange ist mega lang, aber lass mal trotzdem anstellen, wir kommen schon irgendwie rein.“

– „Das wird UNSERE Nacht“

Die Berliner Clubszene wird behandelt wie ein elitärer Club, dem man nur beitreten kann, wenn man nicht nur sein Erstgeborenes in die schützenden Hände des Türstehers gibt. Einer Szene, die sich vor allem durch Wochenendtouristen, Feiertagspendler und Brückentagsexildeutsche kennzeichnet, wird auf den Thron der vollkommenen Glückseligkeit gehoben. Gekrönt wird der überzogene Hype durch obengenannte Dialoge, die einem das Gefühl geben, man würde für etwas anderes anstehen, als die fünf bis zwölf Stunden Tanzwut für die man sich eben in einen Schuppen drängt, der viel zu laut, viel zu voll und vor allem mit komischen Leuten ausgestattet ist. Aber was macht man nicht alles um seine kurze Zeit der Jugend und Unvollkommenheit zu zelebrieren.

Das „Malle ist nur einmal im Jahr“ des noch viel kleineren Mannes findet hier seinen Höhepunkt. Statt sich wie die anderen Atzen in der prallen Sonne einer Mittelmeerinsel deiner Wahl volllaufen zu lassen, machst du es klüger. Du bleibst in Deutschland und folgst dem Puls der Zeit. Immer im Beat der Bassline in Richtung Club vor dem du unglücklicherweise deine gesamten Teen- und Twen-Kompanen direkt wieder begrüßen kannst. Wie es sich für die ultimative Berlin-Experience gehört, ist das Hostel direkt in Club-Nähe gebucht. Denn dieses Wochenende gehört dir. Du willst verrückt sein und deiner gewonnen Anonymität frönen. Dein Ziel: Einmal so feiern, wiees hier alle machen. Jeden Tag.

Mit viel Glitzer, gefakter Individualität und Konsum verschiedenster Substanzen wird die Persönlichkeit herausgekratzt, von der du selbst nicht mal wusstest, dass du sie in dir trägst. Aber nun gut, auch dir sei gegönnt deine 48 Stunden „Crazyness“ – wie die coolen Kids es nennen – zu leben. Spätestens dienstags geht der Zug zurück und mit ausgelutschten Phrasen à la „Was in Berlin passiert, bleibt in Berlin“ fährt dich der IC direkt zurück zu deinem/r Freund*in ins geliebte Eigenheim back to Boring-Town. Doch wenn man ehrlich ist, welche Stadt würde sich besser eignen, um in der Anonymität unterzugehen und die Party-Nacht für sich tanzen zu lassen? Mit offener Drogen- und Türpolitik sollte einem Sommernachtstraum doch nichts im Wege stehen.

Anders als in den Scheunendiskos deiner Stadt wird hier zum Drop nicht in den Moshpit gesprungen, laut gegrölt oder die nächste Runde Mexikaner geordert. Dein Publikum für heute Nacht ist durchzogen von Alltagsgeflüchteten aus den Dörfern deiner Gegend und den immerwährenden Stammgästen. Klar zu unterscheiden: Die einen labern dich in der Schlange voll und fragen dich wie ihre Chancen stehen hier „abgehen“ zu können, während die anderen vollkommen unbeeindruckt ihre 15 Minuten warten, bis man sich mit einem „Jo danke, bis später“ am Türsteher vorbeidrückt und sich für die Nacht verabschiedet.

Gehen wir einen Schritt weiter: endlich drin. Du hast es geschafft! Glückwunsch. Gut gemacht. Aber anders als du denkst, geht hier nicht die Party ab, von der du gehofft hattest, sie vorzufinden. Keiner klatscht, singt oder springt. Komisch. Die Bassdrum kickt dir so hart ins Zwerchfell, dass du in der Kombination mit der eindringlichen Lichtshow kurz glaubst, spontan Farben hören zu können. Aber das ist erst der Anfang, mein Schatz. Daran gewöhnt, kippt man sich die ersten fünf bis zehn alkoholische Getränke rein, während dir ein Blick zur Seite verrät, dass alle anderen nur Wasser trinken. Aber das soll dich heute Nacht nicht stören, du bist zum Feiern hier und wenn dir was Hübsches vor die Flinte läuft, geht da sicherlich noch was.

Und genau hier fängt es an für alle anderen ätzend zu werden. Was du nämlich nicht checkst ist, dass alle anderen hier für sich sein wollen. Körperkontakt und ständiges Angelaber unerwünscht. Die dörflichen Tricks des „Von-Hinten-Antanzens“ sind absolut unangebracht. Dies ist kein elitärer Club und auch nichts Besonderes, aber bitte um Gottes willen lass deine Griffel bei dir. Im Namen des Rausches und des guten Trips lass mich hier in Ruhe tanzen. Kleiner Tipp: siehst du jemanden nur einen Dance-Move machen, die Haare immer im Takt von links nach rechts schwenkend: Lass es. Denk nicht mal dran. Alle anderen, die scheinbar noch in der Kontrolle ihres Körpers sind, von mir aus, pack deine charmanten Tricks aus und versuch die Dame oder den Mann der Nacht für dich zu gewinnen. Natürlich unter der Voraussetzung, dass du dich an den Code of Conduct hältst. Der gilt im Übrigen auch auf dem Land, wo man es mit Sexismus und Belästigung nicht so genau nimmt.

Was ich eigentlich sagen will: Ich freu mich, dass du es geschafft hast, dich aus den Zwängen deines Dorfes zu befreien und eine Seite an dir entdecken möchtest, an die du nicht geglaubt hast. Aber es gibt Regeln und die wichtigste ist: Fall nicht auf. Also: kein Pöbeln, kein Wettsaufen, kein ekliges Angetatsche.

Text & Bild: Janna Meyerdeiner Gegend und den immerwährenden Stammgästen. Klar zu unterscheiden: Die einen labern dich in der Schlange voll und fragen dich wie ihre Chancen stehen hier „abgehen“ zu können, während die anderen vollkommen unbeeindruckt ihre 15 Minuten warten, bis man sich mit einem „Jo danke, bis später“ am Türsteher vorbeidrückt und sich für die Nacht verabschiedet. Gehen wir einen Schritt weiter: endlich drin. Du hast es geschafft! Glückwunsch. Gut gemacht. Aber anders als du denkst, geht hier nicht die Party ab, von der du gehofft hattest, sie vorzufinden. Keiner klatscht, singt oder springt. Komisch. Die Bassdrum kickt dir so hart ins Zwerchfell, dass du in der Kombination mit der eindringlichen Lichtshow kurz glaubst, spontan Farben hören zu können. Aber das ist erst der Anfang,mein Schatz. Daran gewöhnt, kippt man sich die ersten fünf bis zehn alkoholische Getränke rein, während dir ein Blick zur Seite verrät, dass alle anderen nur Wasser trinken. Aber das soll dich heute Nacht nicht stören, du bist zum Feiern hier und wenn dir was Hübsches vor die Flinte läuft, geht da sicherlich noch was. Und genau hier fängt es an für alle anderen ätzend zu werden. Was du nämlich nicht checkst ist, dass alle anderen hier für sich sein wollen. Körperkontakt und ständiges Angelaber unerwünscht. Die dörflichen Tricks des „Von-Hinten-Antanzens“ sind absolut unangebracht. Dies ist kein elitärer Club und auch nichts Besonderes, aber bitte um Gottes willen lass deine Griffel bei dir. Im Namen des Rausches und des guten Trips lass mich hier in Ruhe tanzen. Kleiner Tipp: siehst du jemanden nur einen Dance-Move machen, die Haare immer im Takt von links nach rechts schwenkend: Lass es. Denk nicht mal dran. Alle anderen, die scheinbar noch in der Kontrolle ihres Körpers sind, von mir aus, pack deine charmanten Tricks aus und versuch die Dame oder den Mann der Nacht für dich zu gewinnen. Natürlich unter der Voraussetzung, dass du dich an den Code of Conduct hältst. Der gilt im Übrigen auch auf dem Land, wo man es mit Sexismus und Belästigung nicht so genau nimmt. Was ich eigentlich sagen will: Ich freu mich, dass du es geschafft hast, dich aus den Zwängen deines Dorfes zu befreien und eine Seite an dir entdecken möchtest, an die du nicht geglaubt hast. Aber es gibt Regeln und die wichtigste ist: Fall nicht auf. Also: kein Pöbeln, kein Wettsaufen, kein ekliges Angetatsche.