Das Konglomerat der Kitschigkeit

Liebe Singles, egal, ob freiwillig oder nicht, es ist wieder so weit: Der schlimmste Tag des Jahres steht vor der Tür. Für die einen ist es der Tag der Liebe, für die anderen nichts weiter als der umsatzstärkste Tag der Blumenlobby. Kaum vergessen sind die Tage, an denen man als einziger Single der Klasse ohne einen sogenannten „Valentinsgruß“ beschämt durch die Gänge der Schule gelaufen ist, als sich die coolen Kids gegenseitig stolz die kleinen rosa Kärtchen zeigten. Mittlerweile ist man erwachsen und die Möglichkeiten den Tag des scheinbar unendlichen Glücks zu ignorieren unbegrenzt.

Während man sich in den letzten Jahren wenigstens in den temporären Alkoholismus flüchten konnte, um den vor Glück strotzenden Pärchen zu entkommen, bleibt einem dieses Jahr nur die Social Media Abstinenz. Hat die Pandemie uns doch alle dazu genötigt sich in die eigenen vier Wände zurückzuziehen und die Chancen auf eine Partnerschaft minimiert, gucken wir uns dieses Jahr halt das Glück der Anderen in den nicht enden wollenden Weiten des Internets an. Jedes Jahr, in dem man zum Welt-Blumen-Tag Single war, dachte man, dieses Jahr wäre das Schlimmste. Doch auf alle Singles, die nun auch noch während einer Pandemie den Tag der Liebe alleine verbringen müssen, kommen harte Zeiten zu.

Seit Social Distancing und dem damit verbundenen Obligat Kontakte zu reduzieren, haben die meisten von uns ihre Freunde seit Wochen, vielleicht auch seit Monaten nicht mehr gesehen – von Dates ganz zu schweigen. Entsprechend verlagert sich das alltägliche Leben in die digitale Welt. Instagram, Twitter und TikTok wollen mit den neuesten Achievements und Konsumgütern ausgestattet werden. Natürlich soll dazu noch gezeigt werden, wie leicht einem Sport, Mental Health, Beziehung und Karriere im All-Day-Everyday-Homeoffice fallen. Dazu am Valentinstag alleine sein? Kein Problem.

Jeden Tag werden auf allen Plattformen Clips in den Äther befördert, die einem die knallharte Wahrheit vor Augen führen. Du bist allein. Du bist Single. Und das ist nicht gut. Denn alleine bist du nicht vollständig.
Je länger man sich den Scheiß reinzieht, desto mehr geht man in der eigenen Rolle des „Single- Opfers“ auf. Beziehungen und Liebe scheinen nach einer Weile der Dreh- und Angelpunkt des Schlüssels zum Glück zu sein. Da hilft es nicht, wenn die tägliche Dosis „Couplecuteness“ an einem Tag aufs Maximum gepusht wird, während man selbst seit Tagen zu Hause auf der Couch mit der immer selben Jogginghose und ungewaschenen Haaren sitzt. Aber man hat sich im Griff. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Pärchen der eigenen Followerschaft ihren „Moment to Shine“ entdecken. Ich wette mit euch, dass Social Media am Tag X für alle Alleingebliebenen ein Spießrutenlauf der besonderen Art wird. Ein Pärchenselfie hier, ein Bild vom romantischen Dinner dort und „schaut mal, wie süß, er hat mir Blumen geschenkt“-Stories werden die sozialen Medien überrollen. Dinge, die man sonst zwar auch online, aber vermehrt in der offline-Welt gesehen hatte, verlagern sich nun vollständig ins digitale Zentrum. Ist man zusätzlich noch der einzige Single in der eigenen Freundesgruppe, ist der Weg zum temporären Saufgelage in den eigenen vier Wänden nicht weit. Keiner guckt sich gerne glückliche Leute an, wenn der einzige Kuschelpartner der eigene Vierbeiner ist.


Entsprechend folgen am 14. Februar pandemiebedingt die schlimmsten 24-Online-Stunden. Warum also nicht die Gunst der Stunde nutzen und am Tag des Konglomerats der nationalen Kitschigkeit eine Social Media-Pause einlegen? Detox ist doch eh gerade im Trend. Kein Instagram, kein WhatsApp, kein Smartphone, nichts. Einfach mal die Zeit mit sich intensiv genießen, wie man es eigentlich schon die letzten zwölf Monate seit Beginn der Pandemie machen wollte. An sich und seinen Träumen arbeiten – das wollten wir doch alle, oder? Dies ist die Gelegenheit langen Worten zumindest kleine Taten folgen zu lassen. Und wenn wir ehrlich sind: der Vorteil am Single-Dasein? Keine weiteren Enttäuschungen, keine unnötigen Ausgaben und die Pizza gehört einem ganz alleine. In diesem Sinne, liebe Singles, haltet durch und erfreut euch daran keine unerreichbaren romantischen Vorstellungen erfüllen zu müssen. Be your own Valentine.

Text und Bild: Janna Meyer

Die in dieser Kolumne dargestellten Sichtweisen sind allein der Autorin zuzuordnen und spiegeln nicht die Meinung der gesamten Redaktion wider.

Recommended Posts

No comment yet, add your voice below!


Add a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert