Behindertenwerkstätten im Fokus

Was ist falsch an diesem System?

In der letzten Aprilwoche wurden traurige Neuigkeiten bekannt: In Potsdam Babelsberg wurden vier Menschen in einer Behinderteneinrichtung getötet und eine weitere Person schwer verletzt. Das passierte an dem Ort, den behinderte Menschen ihr Zuhause nennen. Dort, wo sie schlafen, essen und arbeiten, ihren Lebensmittelpunkt haben, der für sie geschaffen wurde. Ermordet wurden sie von einer Mitarbeiterin, die ebenso der Einrichtung angehörte. Inzwischen wurde diese in einer Psychiatrie eingewiesen.

Der Aufschrei darüber, wie so etwas passieren konnte, war nie wirklich laut und ging genauso wenig viral. Dabei sind seit Jahren die Missstände in den Einrichtungen bekannt, unter anderem, dass Menschen mit Behinderung öfter von Gewalt und Diskriminierung betroffen sind. Das Themenfeld der Diskriminierung von behinderten Menschen ist groß, was aber nicht heißt, deswegen nicht anzufangen sich mit der Thematik auseinander zu setzen.

Dieser Text konzentriert sich auf die Behindertenwerkstätten, die Wohnheime und der systematischen Ungleichbehandlung hinsichtlich der Entlohnung. Amelie, die in einer stationären Wohneinrichtung lebt und in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeitet, spricht in diesem Text von ihren Erfahrungen, zu denen vor allem die sozialen Momente zählen und weniger das System und die Strukturen an sich. Wie einige weitere Beschäftigte in der Behindertenwerkstatt kann sie das aufgrund ihrer kognitiven Fähigkeiten nicht durchblicken. Aber erst einmal zurück zum Anfang.

Routinierter Alltag als Voraussetzung

Amelie ist geistig behindert, das heißt, dass sie in ihren kognitiven, motorischen und emotionalen Fähigkeiten weniger weit entwickelt ist als andere Menschen in ihrem Alter. Nach ICD-10 wird von einer „Intelligenzminderung“ gesprochen, die bei einem IQ unter 70 anfängt. Bis Amelie 22 Jahre alt war, wohnte Amelie bei ihren Eltern. Jeden Tag benötigte sie Unterstützung und Anleitungen bei alltäglichen Dingen, wofür Routinen sehr hilfreich waren und auch ihr weiteres Leben lang wird sie auf diese Hilfe angewiesen sein.

Ich verabrede mich mit Amelie zu einem Onlineinterview. Ihre Mutter hat sie an dem Wochenende zu Besuch und erzählt ihr nicht direkt davon, sonst wäre die Aufregung und Freude zu groß. Da sitze ich also mit Amelie und mir wird entgegengegrinst und ihre Laune steckt sofort an. Sie zeigt mir ihre neue, silberne Herzchenkette und nebenbei tönt Musik aus einer schwarzen Musikbox. Musik macht Amelie glücklich, genauso wie nähen, Mandalas malen und Bollywoodfilme. Von einem der Schauspieler hat sie ein Poster über ihrem Bett hängen. Seit längerem bewohnt Amelie ihr eigenes Zimmer in der Wohngemeinschaft, die sieben weitere junge Erwachsene bilden. Weiterhin hat ihr Alltag hier Struktur. Jeder Tag beginnt mit einem gemeinschaftlichen Frühstück und anschließend geht es zur Arbeit in die Behindertenwerkstatt. In ihrem Arbeitsbereich, der Wäscherei, verbringt Amelie in der Regel sieben Stunden am Tag, Mittagspause mit eingerechnet. Wäre da nicht Corona. Bis Mitte Juni ist die Arbeit für die Bewohner:innen des Wohnheims allerdings erst einmal ausgesetzt, aufgrund von Coronavorsichtsmaßnahmen. Sind alle Bewohner:innen geimpft, ist eine Arbeitsaufnahme geplant. Amelie redet von „Scheiß Corona“, weil sie das Arbeiten vermisst und die gemeinsamen Mittagszeiten mit den Betreuer:innen und vor allem ihren Freund:innen, die sie außerhalb der Arbeit gerade nicht sieht, weil diese nicht mit ihr zusammen wohnen.

Werkstätten für behinderte Menschen- ein prekäres System?

Amelie verdient im Jahr 2000 Euro, wobei sich bei ihr die Verdienstabrechnung aus dem Arbeitförderungsgeld, einem Grundbetrag und einem Steigerungsbetrag sowie Arbeits- und Urlaubsgeld zusammensetzt. Vor einiger Zeit schon hat sich ein Protest gebildet, der sich für die bessere Bezahlungen in Behindertenwerkstätten einsetzt.

In Sachsen, dem Bundesland mit den niedrigsten Löhnen, kam es von 2017 bis 2019 zu Stundenlöhnen von weniger als 50 Cent. Dabei ist bekannt, dass die Werkstätten mit ihren 310.000 Beschäftigten jährlich einen Umsatz von 8 Milliarden Euro machen. Von dem Staat werden sie zusätzlich noch vollfinanziert und sie sind Teil der Industrie, in der gerne auf die guten Angebote mit entsprechenden Qualitätsstandards zurückgegriffen wird. Große Unternehmen lassen in den Werkstätten produzieren, sind damit nachhaltig und erfüllen damit den Schwerbehindertenausgleich schon zu 50 Prozent. Es ist sonst gesetzlich vorgeschrieben, dass bei einem Betrieb mit 20 Mitarbeiter:innen fünf Prozent der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Arbeitskräften besetzt werden müssen. Neben der Beschäftigung in Werkstätten und Inklusion am Arbeitsplatz gibt es sonst die Möglichkeit, den Ausgleich finanziell zu leisten: Je nach Größe des Unternehmens sind es 125 bis 320 Euro im Monat pro unbesetzten Arbeitsplatz. Aus den Werkstätten werden nur 0,02 Prozent der Mitarbeiter:innen an den Arbeitsmarkt vermittelt.

Dabei haben sich die Werkstätten laut Sozialgesetzbuch Paragraph 219 die Integration der Werkstattbeschäftigten in den Arbeitsmarkt zur Aufgabe gemacht:
„Die Werkstatt für behinderte Menschen ist eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben (…) und zur Eingliederung in das Arbeitsleben […]. Sie fördert den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen.“

Die 30 Prozent der Werkstattbeschäftigten, die in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis stehen, bei allen anderen werden noch Sozialleistungen miteinberechnet, kommen aus dem System nicht heraus und erhalten trotzdem keinen gesetzlichen Mindestlohn von 9,50 €. Es ist ein Teufelskreis, in dem Werkstätten für behinderte Menschen Milliarden an Umsatz machen, Beschäftigten die Chance auf eine ordentliche Bezahlung verwehren und eine Integration durch den Schwerbehindertenausgleich durch Aufträge an die Werkstätten oder eben den viel zu niedrigen monetären Ausgleich noch verstärken. Es ist gar unmöglich, in den normalen Arbeitsmarkt zu wechseln und es muss sich dringend etwas ändern und zwar am ganzen System.

So kritisiert auch Ulla Schmidt, frühere Vizepräsidentin des deutschen Bundestages, ehemalige Bundesgesundheitsministerin und aktuelle Vorsitzende der Lebenshilfe zu der monatlichen Entlohnung in WfbM:

„Das ist nicht mehr als ein Taschengeld. Auch wenn Menschen mit Beeinträchtigung zusätzlich Sozialleistungen bekommen, empfinden sie ihren Lohn als viel zu niedrig und höchst ungerecht. Sie haben einen besseren Lohn verdient. Schließlich gehen die meisten von ihnen wie alle anderen fünf Tage die Woche zur Arbeit.“

Was sich ändern muss

Die mangelnde Bereitschaft zur Inklusion fängt in den Kindergärten und auf den Schulen an. Die Chancen auf eine selbstbestimmte Zukunft sind mit dem Abschluss von einer Förderschule gering. Denn sobald die Förderschule geschafft ist, geht es mit einem Job von einer Behindertenwerkstatt weiter. Gesetze wie die des Schwerbehindertenausgleiches diskriminieren systematisch weiter. Wenn es solche Gesetze gibt, wer ist dann überhaupt bereit, Menschen mit Behinderung zu inkludieren und am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen?
Eine Behinderung verlangt einen unermesslichen Zeitaufwand, denn die bürokratischen Verfahren sind oft intransparent und sehr komplex. So verbringt Amelies Mutter, die gleichzeitig auch ihre gesetzliche Betreuerin ist, durchschnittlich 4-5 Stunden die Woche mit Behördenkram. Oft fehlt selbst Ärzt:innen, Pflegegradbegutachter:innen und auch Lehrkräften einfach das Wissen. Aber wie können wir alle dazulernen, wenn Menschen mit Behinderung immer noch zu wenig in unserem Alltag präsent und inkludiert sind?

Ein paar von den Menschen, die zum Thema Inklusion in den sozialen Medien aufklären:

@ninalagrande
@lauragehlhaar
@edwin.greve

Hier kannst du eine Petition für bessere Bezahlung in Behindertenwerkstätten unterschreiben.

Amelie hofft so wie wir alle, dass Corona wieder vorbei ist. Sie will wieder mit anderen Menschen zusammensitzen, Menschen, die ihr wichtig sind. Momentan ist die erste Impfung in der Einrichtung durch, es muss noch die zweite folgen. Bis dahin sind die Kontakte auf das Nötigste beschränkt. Danach möchte sie mal wieder ihre Freundin Lilo einladen und ihre andere Freundin Tanee in Bayern besuchen. Auf das Arbeiten in „ihrer Wäscherei“ freut sie sich auch schon und die stationäre Wohneinrichtung ist, wie sie selbst sagt, auch zu einem weiteren Zuhause geworden, neben dem, was sie bei ihrer Familie hat.
Amelie selbst braucht den geschützten Rahmen, den ihr die Arbeit in der Behindertenwerkstatt bietet und ist damit glücklich.

Auch wenn es ihr gut damit geht und sie selbst das System, in dem sie beteiligt ist, nicht erfassen kann, wäre eine Veränderung bzw. Weiterentwicklung von diesem aus vorher genannten Gründen wünschenswert. Dazu bräuchte es allerdings Fürsprecher:innen, die Entscheidungen treffen. Aber agieren diese dann aufgrund von Fakten im besten Sinne?

Text: Svenja Jäger
Illustration: Julia Küttner

Stay the fuck home – Aber was, wenn du kein zuhause hast?

Corona raubt uns allen in diesem Jahr die Nerven. Manchen mehr und anderen weniger. Doch eins hat der Großteil von uns gemeinsam: Wir haben ein Dach über dem Kopf, einen Ort an den wir uns zurückziehen können. Dieses Privileg ist aber nicht allen gegeben. In Deutschland leben 48.000 Menschen auf der Straße. Mit Beginn der Pandemie mussten einige Chemnitzer Organisationen ihr Angebot für Obdachlose einschränken. Wo liegen aktuell die Probleme, wie kann jede:r einzelne zu der Verbesserung der Lage beitragen und welche Veränderungen sollten wir mit in die nächsten 5 Jahre nehmen?

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God save the queer

Einmal im Jahr richtet die Welt ihre Aufmerksamkeit auf die LGBTQ+*- Community. Wenn das passiert, ist wieder Pride Month. Kommerziell reiten einige auf der bunten Welle mit und betreiben Pinkwashing. In der Modeindustrie, u.a. bei Ralph Lauren, Levi’s, Burberry oder Diesel wurde der LGBTQ+ Community eine Plattform gegeben und das eingenommene Geld über die Pridekollektionen wurde gespendet, nur bleibt es fraglich ob die Community auch an allen anderen 11 Monaten des Jahres mit einbezogen wird. Dann gab es da noch die die Shitstorms auszuhalten hatten, wie beispielsweise BMW und die bei denen es mit der Solidarität schon vorbei war (siehe Zara), bevor der Monat überhaupt endete. Neben dem ganzen Hype und Kommerz vergessen die Meisten den eigentlichen Ursprung von Pride, der seinen Anfang im Stonewall Inn in New York im Jahr 1969 fand. Die Bar war ein Rückzugsort für marginalisierte Gruppen wie nicht-heterosexuelle Menschen, Sexarbeiter*innen, von Rassismus Betroffenen und Menschen, die aufgrund ihrer Geschlechteridentität diskriminiert wurden. Ebenso wie andere Schwulenbars, hatte auch diese von der New Yorker Alkoholbehörde keine Schankgenehmigung ausgestellt bekommen und die Polizei führte eine Razzia durch. Immer wieder wurden Personen, die bei Razzien aufgegriffen wurden, bloßgestellt und ihre Identitäten zum Teil auch veröffentlicht. Am 28. Juni 1969 widersetzten sich die Besucher*innen nachdem es zu Verhaftungen und einer Räumung kam. Es folgten tagelange Aufstände und Auseinandersetzungen. Diese Aufstände bilden die Grundlage für die heutige LGBTQ+ Bewegung. Inzwischen sind 51 Jahre vergangen und Mensch könnte meinen, es hat sich inzwischen viel verändert. Aber ist dem denn so?

Was passiert eigentlich gerade?

Dass die CSDs in diesem Jahr nicht nur in Großstädten waren, sondern auch in ländlichen Regionen wie Zwickau und Pirna stattfanden, hat mit dem Sichtbarmachen von Ungerechtigkeiten zu tun. Laut Different People e.V. ist dies nämlich ein wesentlicher Teil von Pride: „Sichtbarkeit schaffen, Menschen zusammenbringen, Diversität aufzuzeigen und darum kämpfen, dass alle die gleichen Rechte haben und nicht nur die gleichen Pflichten. […] Es ist ein Zeichen immer noch zu sagen, dass es nicht so ist und ganz viel passieren muss, was eben nur zusammen geht“, beschreibt die Wichtigkeit der CSDs. Das homosexuelle Menschen zum Beispiel immernoch nicht die gleichen Möglichkeiten haben, zeigte sich in der Blutspendedebatte. Seit den 1980er Jahren hat sich dort noch immer nicht viel verändert und schwule sowie bisexuelle Männer dürfen nur unter strengen Auflagen Blut geben. Neben wenig Weiterentwicklung gab es zuletzt auch Rückschritte in Europa. In Polen gibt es LGBTQ+- freie Zonen, die ein Drittel des Landes einnehmen. Im Februar wurden davon sogar große Unterstützer bekannt. Die Biermarken Tyskie und Lech sponsorten und warben in Zeitungen mit Anti-LGBTQ+ Propaganda.

Wie jetzt bekannt wurde, hat die EU Städtepartnerschaften und die damit einhergehenden Fördergelder den LGBTQ+- freien Zonen abgesprochen.

Normalität ist kein Zustand, Normalität wird erschaffen

Ein Kronprinz soll endlich heiraten, um König zu werden. Deshalb hat er ganz viele Prinzessinnen zu sich eingeladen. Wäre da nicht der Bruder von Prinzessin Liebegunde. Die Geschichte ist eine, die über Liebe erzählt und vom Different People e.V. in Kindergärten vorgelesen wird. Was sich zeigt, ist dass die meisten 5-6- Jährigen gar nicht auf das Geschlecht achten, sondern darauf mit wem sich der Kronprinz am besten versteht und das ist dann eben Liebe. Irgendwie schön, dass in dem Alter das Denken nicht von Klischees vereinnahmt wird. Dafür ist es umso schockierender wie es dann in der Schule weitergeht. Das meist genutzte Schimpfwort auf Schulhöfen ist „schwul“. Darauf eingegangen wird selten und auch queere Sexualität spielt in den Lehrplänen keine Rolle. Daran etwas geändert hat jetzt Schottland. Ab dem Jahr 2021 werden die Schüler*innen über die Queer-Bewegungen, den Kampf gegen Homophobie und Transphobie unterrichtet. Was in Deutschland bleibt, ist die Eigeninitiative der Lehrer*innen und die Selbstrecherche. Dazu lernen können wir alle, auch, was unseren Wortschatz anbelangt.

Dass für alle mitgedacht werden sollte um keine*n auszuschließen, hat sich seit längerem schon bei Medien wie der Tagesschau (auf Social Media), den Funk-Formaten oder auch den taz etabliert. Seit kurzem ist Sachsens Kabinett auch in der Neuzeit angekommen. Es wurde beschlossen, dass die Rechtssprache von nun an gendergerecht wird. Das heißt, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau nun auch in den Gesetzen Platz nimmt. Ein kleiner Schritt, der etwas verändert.

Was andere in Sachsen bewegen – queere Bildungsprojekte

Viel Zeit und Arbeit in die Veränderung investieren in Sachsen mehrere Vereine. Ein ganz großer Meilenstein, der von LAG queeres Sachsen gemeistert wurde, ist die Entwicklung einer Studie zusammen mit der Hochschule Mittweida zu Gewalt gegenüber der LGBTQ+-Community. Viel verändert hat diese, weil es zuvor keine aussagekräftigen Zahlen dazu gab, sondern nur Polizeistatistiken. Bei den 369 Menschen die an der Befragung teilnahmen, wurden innerhalb der letzten fünf Jahre 1672 Übergriffe in Sachsen ermittelt. Zum Vergleich: es heißt, dass zwischen 2001 und 2017 beim Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen politisch motivierter Kriminalität im Themenfeld „Hasskriminalität“, Unterthema „Sexuelle Orientierung“ insgesamt ganze 55 Fälle in Sachsen registriert wurden. In der Studie stellte sich heraus, dass nur 11% Gewalt anzeigten. Mehr als die Hälfte fühlten sich nicht gut beraten.

Dabei sei hervorzuheben, dass die ganze Studie mit Crowdfoundinggeldern finanziert wurde, weil es vom Bundesstaat Sachsen keine Förderung gab. Doch auch jetzt ist alles nicht so, wie es eigentlich sein sollte. Es wurde gehandelt und mit dem LKA und dem Innenministerium Kontakt aufgenommen. Doch auch wenn es seit 2019 eine zentrale Ansprechstelle beim Landeskriminalamt gab und auch Opferschutzbeauftragte in den Polizeidirektionen Dresden, Zwickau, Chemnitz, Görlitz und Leipzig sitzen, sind diese nicht spezialisiert und zusätzlich dazu ausgebildet.

Quelle: LAG Sachsen

LAG-queeres Sachsen
„Die Landesgemeinschaft Queeres Netzwerk Sachsen e.V. ist der Dachverband der sächsischen Vereine und Initiativen, die sich für die gleichberechtigte Teilhabe von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, trans- und intergeschlechtlichen sowie queeren Menschen in allen Lebensaltern und Lebensbereichen einsetzen. Wir vertreten unsere Mitglieder, ihre Interessen und Bedarfe vor Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft, führen Aufklärungs- und Bildungsveranstaltungen durch und arbeiten an einer landesweiten Vernetzung, um Anlaufstellen und Angebote für LSBTTIQ* zu schaffen.“
Aktiv werden: Lust, in Sachsen etwas zu bewegen? Dann komm als Praktikant*in zu uns in die Fachstelle der LAG Queeres Netzwerk Sachsen. Wir suchen 2020 zum nächstmöglichen Zeitpunkt und darüber hinaus fortlaufend Praktikant*innen, gern aus allen wissenschaftlichen Disziplinen oder Berufsfeldern. Dein Engagement für das Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt ist uns aber am wichtigsten info@queeres-netzwerk-sachsen.de
Spenden: https://www.queeres-netzwerk-sachsen.de/spenden

Different People e.V Chemnitz
„Wir sind ein Beratungs- und Kommunikationszentrum für homo-, a-, bisexuell (-romantisch), trans- oder intergeschlechtlich lebende Menschen, deren Angehörige und alle Interessierten. Hier findest du alle Informationen zu Beratung, Bildungsarbeit, Workshops, Weiterbildungen, Öffnungszeiten, Veranstaltungen, Gruppen, Treffs, Gemeinschaft, Gemütlichkeit und dem Vereinsleben.“
Aktiv werden: Für unser Bildungsprojekt „WE simply ARE“ suchen wir engagierte Menschen, die uns im Team unterstützen Chemnitz und Umgebung offener und vielfältiger zu gestalten, Vorurteile und Berührungsängste abzubauen und Diskriminierung zu vermeiden. Deine eigene L(i)ebensrealität ist dabei völlig egal.
Kontakt: eunike.zobel@different-people.de
Spenden: https://www.different-people.de/theme-features/spende
Wir sind auch bei gooding.de, so dass Mensch uns bei jedem Kauf bei Onlineshops (z.B. Lieferando, Ebay, Otto.de…) mit 2-5% unterstützen kann: https://einkaufen.gooding.de/different-people-e-v-42859

LSVD Chemnitz
„Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Sachsen e.V. ist ein Bürgerrechtsverband und vertritt die Interessen und Belange von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI). Menschenrechte, Vielfalt und Respekt – wir wollen, dass LSBTI als selbstverständlicher Teil des gesellschaftlichen Lebens akzeptiert und anerkannt werden.
Voraussetzung für ein selbstbestimmtes und angstfreies Leben ist die volle rechtliche Gleichstellung. Wir treten ein für eine Gesellschaft, die Selbstbestimmung und eine Vielfalt an Lebensweisen als Bereicherung erkennt und wertschätzt.
In den vergangenen Jahren haben wir uns vor allem durch unsere Arbeit in der Coming-out-Beratung für Homosexuelle und die Aufklärung über antihomosexuellen Fundamentalismus einen Namen gemacht. Wir sind darüber hinaus in verschiedenen Projekten tätig, die sich mit Antidiskriminierung, geflüchteten LSBTI*, Homofeindlichkeit in der Gesellschaft und im Sport, Regenbogenfamilien, Arbeitswelt und internationaler Unterstützung von LSBTI* beschäftigen. Wir organisieren Aktionen und Veranstaltungen und sind Ansprechpartner für verschiedene Institutionen.“
Aktiv werden: Du willst Dich engagieren, hast tolle Ideen und Vorschläge für Aktionen und Veranstaltungen oder möchtest uns ehrenamtlich unterstützen? Dann meld Dich bei uns: sachsen@lsvd.de
Spenden: https://sachsen.lsvd.de/aktiv-werden/

Wie du selbst zur Normalität beitragen kannst
Pride ist ein jahrzehntelanger Kampf, der noch nicht beendet ist. Damit sich was verändert müssen wir füreinander einstehen, dazu lernen und in den Protest gehen. Und feiern, dass sich Dinge schon geändert haben.

Hier gibt es noch weiteren Input zum dazu lernen:

Bücher:
Call Me by Your Name von André Aciman
Das Bildnis des Dorian Gray von Oscar Wilde
Queer Heroes von Arabelle Sicardi
Gender-Kram von Louie Läuger
Love Simon Becky Albertalli
Geschlecht wider die Natürlichkeit von Heinz Jürgen-Voß
Trans.Frau.Sein von Felicia Ewert

Filme:
Blau ist eine warme Farbe
Moonlight
Rafiki
Bohemian Rhapsody
Rocket man
Eine geheime Liebe
Happy Birthday, Marsha (auf Amazon schauen, da die Doku auf Netflix dazu ein Plagiat ist https://taz.de/Trans-Aktivisten-kritisieren-Netflix-Doku/!5453095/?goMobile2=1594080000000)

Serien:
Sense 8
Where Pride began
Queer Eye
RuPaul´s Drug Race
Feel Good
Sex Education
Pose

*Aus Gründen der Leserlichkeit haben wir uns für die vereinfachte Form „LGBTQ+“ entschieden, schließen aber auch Inter-, Trans- und A-Sexuelle in unserer Bezeichnung mit ein.

Text: Svenja Jäger
Illustration: Theresa Schultz

Mit „Superbusen“ durch den Bazillentunnel und über Chemnitz hinaus

Paula Imschler beschreibt Emotionen, die alle Chemnitzer*innen ob Student*innen oder nicht nur allzu gut nachempfinden können. So wie die Geschichte vieler Studierenden, beginnt auch die von Gisela. Sie zieht wegen zu schlechter Abinoten und den billigen Mieten hier her. Chemnitz und der Studienanfang bedeuten für sie Neuanfang, alles auf null. Mit der Zeit entdeckt Gisela die schönen Ecken der Stadt und findet Freundinnen mit denen sie alles gemeinsam durchsteht. Von wilden Partynächten, ja auch die gibt es hier, über Demonstrationen gegen rechts oder auch die erste Abtreibung. An vielen Passagen des Buches fühlt man sich abgeholt. Egal ob es der Bazillentunnel ist, durch den man vor allem nachts lieber rennt als schlendert oder tröstliche Kuchengespräche bei Emmas Onkel. Irgendwann hat sich Gisela so richtig eingelebt und eines morgens beim Katerfrühstück kommt ihr die Blitzidee mit ihren Freundinnen eine Frauenband zu gründen. Als „Superbusen“ touren sie gemeinsam durch ein paar Städte, versuchen mit dem was sie machen etwas zu bezwecken, sich auszuleben und glücklich zu werden. Daran hat die Musik ihren Anteil, aber auch die Rebellion gegen die Ungerechtigkeiten auf dieser Welt. Wenn Paula Irmschler eins schafft, dann ist es in nur einer Geschichte Popmusik, Feminismus und Politik so zu vereinen, als würde man gerade gemeinsam in der WG-Küche nach einer durchzechten Partynacht Gespräche führen, die ehrlicher nicht sein könnten. Gespickt wird die Geschichte mit der ein oder anderen Songzeile von stadtbekannten Musikern und Bands. Doch wo bleiben dabei die Frauen? Warum kommen diese in einem feministischen Buch nicht vor, wenn doch das zum Problem der Unterrepräsentiertheit beiträgt. Auch die Chemnitzer linke Szene, die verschiedene Ecken der Stadt bunter strahlen lässt mit Küfa über politische Vorträge und Aktionen bleibt in der Geschichte außen vor. Dennoch ist es ein reales Bild, welches die Autorin zur Stadt zeichnet. Es zeigt die Chemnitzer Hassliebe in all seinen Facetten. Alle Weggezogenen werden mit dieser Geschichte in Melancholie schwelgen. Alle Hiergebliebenen werden sich fühlen, als könne Paula zum Teil Gedanken lesen, zumindest wenn sie keine Insider*innen sind. Superbusen ist eine Liebeserklärung an Chemnitz, die abgefuckter und wahrer nicht sein könnte. Denn das was hier passiert ist oft scheiße, teilweise gut und die Mischung ist eine, die man anderswo vermissen wird. Zumindest für eine Weile.

Text: Svenja Jäger
Bild: Julia Küttner

Die Buntmacher*innen

Das Leben bunt malen.

von Svenja Jäger

Fotos: Julia Küttner

Die Buntmacher*innen sind ein Projekt, das es noch gar nicht so lange gibt. Connectet haben sie sich letztes Jahr zum Initiativentreffen im Lokomov. Ihr Projektpflaster in Chemnitz? Parteineutraler Wahlkampf für die Demokratie, vorrangig in Bernsdorf. Sie klingeln an Haustüren, um die Leute zum Wählen zu bewegen. Sie veranstalten Stadtteilfeste, Filmvorführungen und Diskussionsrunden. Sie laden zum Dialog ein, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen und zuzuhören, wenn es um Probleme geht. Für Jung- und Erstwähler veranstalten sie das kleine Festival Beverly Berndorf. Aber sie machen noch so viel mehr. Sie gedenken, wie letztes Jahr an die Pogromnächte am neunten November. Dafür gestalteten sie einen Lichterweg, mit Licht aus der Synagoge und verweilten an verschiedenen Orten mit Lesungen und Klaviermusik. Für diese Gänsehautmomente erreichten sie dieses Jahr den 3. Platz beim Chemnitzer Friedenspreis. Dieses Jahr ist an diesem Datum ein Gedenken an das Wendejubiläum im Kaßberg Gefängnis geplant.

Überall werden die Buntmacher*innen mit offenen Armen empfangen. Die bunte Mischung aus Studen*tinnen, Abiturient*innen, aber auch Arbeitenden wollen eine permanente Präsenz von Demokratie schaffen. Ihr Anliegen ist, die Abgehängten oder Sofademokraten – solche, die für Demokratie einstehen, aber nicht wählen gehen – von der Couch ins Wahllokal zu bewegen.

Dafür ist Basisarbeit ganz wichtig. Bei der Basis anfangen heißt, diese mittlerweile sehr kompliziert gewordene Welt zu erklären. Das fängt bei Transparenz von Stadträten an, und geht weiter mit Themen wie Globalisierung und Digitalisierung auf Augenhöhe zu verdeutlichen. Ihre Resonanz aus den Gesprächen? Viele wissen einfach nicht mehr wohin mit ihren Anliegen. Sie sehen nur das was vor der eigenen Haustüre passiert und haben das Gefühl, Politik funktioniert nicht, weil es keine Reaktion auf die persönlichen Anliegen gibt. Auf Augenhöhe wollen die Buntmacher*innen denjenigen begegnen und möglichst objektiv und ohne Vorurteile dagegen angehen. Gebracht hat es bei der letzten Wahl schon etwas. Neben den Medien, die die Wahlbeteiligung enorm nach oben getrieben haben, gab es auch durch ihre Basisarbeit einen leichten Effekt der Wahlbeteiligung in Bernsdorf. Auch wenn es nur das persönliche Feedback war, dass jemand, der vor Wochen die Wahlbenachrichtigung weggeschmissen hat, plötzlich mit dem Flyer der Buntmacherinnen in der Hand doch im Wahllokal stand und meinte, die haben mich überzeugt. Ein Effekt der Präsenz und Basisarbeit, die die Buntmacher*innen vor der Stadtratwahl geleistet haben. Dass Leute mobilisiert werden müssen und auch wollen, zeigen unter anderem auch Studien, die zeigen, eine persönliche Ansprache bringt mehr als ein Flyer.

Wir finden auch, quatscht und diskutiert mal mit Leuten außerhalb eurer Bubble und wenns nur ein kurzes Gespräch mit der Omi nebenan ist, die denkt, keiner interessiert sich für sie und ihre Probleme. Dann seid ihr an der Reihe, zu erklären, dass das nicht stimmt.

Facebook: Die Buntmacher/innen

Instagram: @buntmacherinnen