Dennis Chiponda wurde 1991 in Senftenberg geboren. Heute bringt der Politikstudent bei
der Plattform „Leipzig spricht“ nicht nur Menschen unterschiedlichster Meinung zusammen.
God save the queer
Einmal im Jahr richtet die Welt ihre Aufmerksamkeit auf die LGBTQ+*- Community. Wenn das passiert, ist wieder Pride Month. Kommerziell reiten einige auf der bunten Welle mit und betreiben Pinkwashing. In der Modeindustrie, u.a. bei Ralph Lauren, Levi’s, Burberry oder Diesel wurde der LGBTQ+ Community eine Plattform gegeben und das eingenommene Geld über die Pridekollektionen wurde gespendet, nur bleibt es fraglich ob die Community auch an allen anderen 11 Monaten des Jahres mit einbezogen wird. Dann gab es da noch die die Shitstorms auszuhalten hatten, wie beispielsweise BMW und die bei denen es mit der Solidarität schon vorbei war (siehe Zara), bevor der Monat überhaupt endete. Neben dem ganzen Hype und Kommerz vergessen die Meisten den eigentlichen Ursprung von Pride, der seinen Anfang im Stonewall Inn in New York im Jahr 1969 fand. Die Bar war ein Rückzugsort für marginalisierte Gruppen wie nicht-heterosexuelle Menschen, Sexarbeiter*innen, von Rassismus Betroffenen und Menschen, die aufgrund ihrer Geschlechteridentität diskriminiert wurden. Ebenso wie andere Schwulenbars, hatte auch diese von der New Yorker Alkoholbehörde keine Schankgenehmigung ausgestellt bekommen und die Polizei führte eine Razzia durch. Immer wieder wurden Personen, die bei Razzien aufgegriffen wurden, bloßgestellt und ihre Identitäten zum Teil auch veröffentlicht. Am 28. Juni 1969 widersetzten sich die Besucher*innen nachdem es zu Verhaftungen und einer Räumung kam. Es folgten tagelange Aufstände und Auseinandersetzungen. Diese Aufstände bilden die Grundlage für die heutige LGBTQ+ Bewegung. Inzwischen sind 51 Jahre vergangen und Mensch könnte meinen, es hat sich inzwischen viel verändert. Aber ist dem denn so?
Was passiert eigentlich gerade?
Dass die CSDs in diesem Jahr nicht nur in Großstädten waren, sondern auch in ländlichen Regionen wie Zwickau und Pirna stattfanden, hat mit dem Sichtbarmachen von Ungerechtigkeiten zu tun. Laut Different People e.V. ist dies nämlich ein wesentlicher Teil von Pride: „Sichtbarkeit schaffen, Menschen zusammenbringen, Diversität aufzuzeigen und darum kämpfen, dass alle die gleichen Rechte haben und nicht nur die gleichen Pflichten. […] Es ist ein Zeichen immer noch zu sagen, dass es nicht so ist und ganz viel passieren muss, was eben nur zusammen geht“, beschreibt die Wichtigkeit der CSDs. Das homosexuelle Menschen zum Beispiel immernoch nicht die gleichen Möglichkeiten haben, zeigte sich in der Blutspendedebatte. Seit den 1980er Jahren hat sich dort noch immer nicht viel verändert und schwule sowie bisexuelle Männer dürfen nur unter strengen Auflagen Blut geben. Neben wenig Weiterentwicklung gab es zuletzt auch Rückschritte in Europa. In Polen gibt es LGBTQ+- freie Zonen, die ein Drittel des Landes einnehmen. Im Februar wurden davon sogar große Unterstützer bekannt. Die Biermarken Tyskie und Lech sponsorten und warben in Zeitungen mit Anti-LGBTQ+ Propaganda.
Wie jetzt bekannt wurde, hat die EU Städtepartnerschaften und die damit einhergehenden Fördergelder den LGBTQ+- freien Zonen abgesprochen.
Normalität ist kein Zustand, Normalität wird erschaffen
Ein Kronprinz soll endlich heiraten, um König zu werden. Deshalb hat er ganz viele Prinzessinnen zu sich eingeladen. Wäre da nicht der Bruder von Prinzessin Liebegunde. Die Geschichte ist eine, die über Liebe erzählt und vom Different People e.V. in Kindergärten vorgelesen wird. Was sich zeigt, ist dass die meisten 5-6- Jährigen gar nicht auf das Geschlecht achten, sondern darauf mit wem sich der Kronprinz am besten versteht und das ist dann eben Liebe. Irgendwie schön, dass in dem Alter das Denken nicht von Klischees vereinnahmt wird. Dafür ist es umso schockierender wie es dann in der Schule weitergeht. Das meist genutzte Schimpfwort auf Schulhöfen ist „schwul“. Darauf eingegangen wird selten und auch queere Sexualität spielt in den Lehrplänen keine Rolle. Daran etwas geändert hat jetzt Schottland. Ab dem Jahr 2021 werden die Schüler*innen über die Queer-Bewegungen, den Kampf gegen Homophobie und Transphobie unterrichtet. Was in Deutschland bleibt, ist die Eigeninitiative der Lehrer*innen und die Selbstrecherche. Dazu lernen können wir alle, auch, was unseren Wortschatz anbelangt.
Dass für alle mitgedacht werden sollte um keine*n auszuschließen, hat sich seit längerem schon bei Medien wie der Tagesschau (auf Social Media), den Funk-Formaten oder auch den taz etabliert. Seit kurzem ist Sachsens Kabinett auch in der Neuzeit angekommen. Es wurde beschlossen, dass die Rechtssprache von nun an gendergerecht wird. Das heißt, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau nun auch in den Gesetzen Platz nimmt. Ein kleiner Schritt, der etwas verändert.
Was andere in Sachsen bewegen – queere Bildungsprojekte
Viel Zeit und Arbeit in die Veränderung investieren in Sachsen mehrere Vereine. Ein ganz großer Meilenstein, der von LAG queeres Sachsen gemeistert wurde, ist die Entwicklung einer Studie zusammen mit der Hochschule Mittweida zu Gewalt gegenüber der LGBTQ+-Community. Viel verändert hat diese, weil es zuvor keine aussagekräftigen Zahlen dazu gab, sondern nur Polizeistatistiken. Bei den 369 Menschen die an der Befragung teilnahmen, wurden innerhalb der letzten fünf Jahre 1672 Übergriffe in Sachsen ermittelt. Zum Vergleich: es heißt, dass zwischen 2001 und 2017 beim Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen politisch motivierter Kriminalität im Themenfeld „Hasskriminalität“, Unterthema „Sexuelle Orientierung“ insgesamt ganze 55 Fälle in Sachsen registriert wurden. In der Studie stellte sich heraus, dass nur 11% Gewalt anzeigten. Mehr als die Hälfte fühlten sich nicht gut beraten.
Dabei sei hervorzuheben, dass die ganze Studie mit Crowdfoundinggeldern finanziert wurde, weil es vom Bundesstaat Sachsen keine Förderung gab. Doch auch jetzt ist alles nicht so, wie es eigentlich sein sollte. Es wurde gehandelt und mit dem LKA und dem Innenministerium Kontakt aufgenommen. Doch auch wenn es seit 2019 eine zentrale Ansprechstelle beim Landeskriminalamt gab und auch Opferschutzbeauftragte in den Polizeidirektionen Dresden, Zwickau, Chemnitz, Görlitz und Leipzig sitzen, sind diese nicht spezialisiert und zusätzlich dazu ausgebildet.
Quelle: LAG Sachsen
LAG-queeres Sachsen
„Die Landesgemeinschaft Queeres Netzwerk Sachsen e.V. ist der Dachverband der sächsischen Vereine und Initiativen, die sich für die gleichberechtigte Teilhabe von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, trans- und intergeschlechtlichen sowie queeren Menschen in allen Lebensaltern und Lebensbereichen einsetzen. Wir vertreten unsere Mitglieder, ihre Interessen und Bedarfe vor Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft, führen Aufklärungs- und Bildungsveranstaltungen durch und arbeiten an einer landesweiten Vernetzung, um Anlaufstellen und Angebote für LSBTTIQ* zu schaffen.“
Aktiv werden: Lust, in Sachsen etwas zu bewegen? Dann komm als Praktikant*in zu uns in die Fachstelle der LAG Queeres Netzwerk Sachsen. Wir suchen 2020 zum nächstmöglichen Zeitpunkt und darüber hinaus fortlaufend Praktikant*innen, gern aus allen wissenschaftlichen Disziplinen oder Berufsfeldern. Dein Engagement für das Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt ist uns aber am wichtigsten info@queeres-netzwerk-sachsen.de
Spenden: https://www.queeres-netzwerk-sachsen.de/spenden
Different People e.V Chemnitz
„Wir sind ein Beratungs- und Kommunikationszentrum für homo-, a-, bisexuell (-romantisch), trans- oder intergeschlechtlich lebende Menschen, deren Angehörige und alle Interessierten. Hier findest du alle Informationen zu Beratung, Bildungsarbeit, Workshops, Weiterbildungen, Öffnungszeiten, Veranstaltungen, Gruppen, Treffs, Gemeinschaft, Gemütlichkeit und dem Vereinsleben.“
Aktiv werden: Für unser Bildungsprojekt „WE simply ARE“ suchen wir engagierte Menschen, die uns im Team unterstützen Chemnitz und Umgebung offener und vielfältiger zu gestalten, Vorurteile und Berührungsängste abzubauen und Diskriminierung zu vermeiden. Deine eigene L(i)ebensrealität ist dabei völlig egal.
Kontakt: eunike.zobel@different-people.de
Spenden: https://www.different-people.de/theme-features/spende
Wir sind auch bei gooding.de, so dass Mensch uns bei jedem Kauf bei Onlineshops (z.B. Lieferando, Ebay, Otto.de…) mit 2-5% unterstützen kann: https://einkaufen.gooding.de/different-people-e-v-42859
LSVD Chemnitz
„Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Sachsen e.V. ist ein Bürgerrechtsverband und vertritt die Interessen und Belange von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI). Menschenrechte, Vielfalt und Respekt – wir wollen, dass LSBTI als selbstverständlicher Teil des gesellschaftlichen Lebens akzeptiert und anerkannt werden.
Voraussetzung für ein selbstbestimmtes und angstfreies Leben ist die volle rechtliche Gleichstellung. Wir treten ein für eine Gesellschaft, die Selbstbestimmung und eine Vielfalt an Lebensweisen als Bereicherung erkennt und wertschätzt.
In den vergangenen Jahren haben wir uns vor allem durch unsere Arbeit in der Coming-out-Beratung für Homosexuelle und die Aufklärung über antihomosexuellen Fundamentalismus einen Namen gemacht. Wir sind darüber hinaus in verschiedenen Projekten tätig, die sich mit Antidiskriminierung, geflüchteten LSBTI*, Homofeindlichkeit in der Gesellschaft und im Sport, Regenbogenfamilien, Arbeitswelt und internationaler Unterstützung von LSBTI* beschäftigen. Wir organisieren Aktionen und Veranstaltungen und sind Ansprechpartner für verschiedene Institutionen.“
Aktiv werden: Du willst Dich engagieren, hast tolle Ideen und Vorschläge für Aktionen und Veranstaltungen oder möchtest uns ehrenamtlich unterstützen? Dann meld Dich bei uns: sachsen@lsvd.de
Spenden: https://sachsen.lsvd.de/aktiv-werden/
Wie du selbst zur Normalität beitragen kannst
Pride ist ein jahrzehntelanger Kampf, der noch nicht beendet ist. Damit sich was verändert müssen wir füreinander einstehen, dazu lernen und in den Protest gehen. Und feiern, dass sich Dinge schon geändert haben.
Hier gibt es noch weiteren Input zum dazu lernen:
Bücher:
Call Me by Your Name von André Aciman
Das Bildnis des Dorian Gray von Oscar Wilde
Queer Heroes von Arabelle Sicardi
Gender-Kram von Louie Läuger
Love Simon Becky Albertalli
Geschlecht wider die Natürlichkeit von Heinz Jürgen-Voß
Trans.Frau.Sein von Felicia Ewert
Filme:
Blau ist eine warme Farbe
Moonlight
Rafiki
Bohemian Rhapsody
Rocket man
Eine geheime Liebe
Happy Birthday, Marsha (auf Amazon schauen, da die Doku auf Netflix dazu ein Plagiat ist https://taz.de/Trans-Aktivisten-kritisieren-Netflix-Doku/!5453095/?goMobile2=1594080000000)
Serien:
Sense 8
Where Pride began
Queer Eye
RuPaul´s Drug Race
Feel Good
Sex Education
Pose
*Aus Gründen der Leserlichkeit haben wir uns für die vereinfachte Form „LGBTQ+“ entschieden, schließen aber auch Inter-, Trans- und A-Sexuelle in unserer Bezeichnung mit ein.
Text: Svenja Jäger
Illustration: Theresa Schultz