Die Hälfte der Schönheit oder doch die Ganze?

Ein Gastbeitrag von Eslam Krar über seine Identität als Schwarzer nubischer Herkunft und Rassismus. In Prosaform setzt er sich hier mit der Geschichte seiner Familie auseinander. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden wegen dem Bau eines Staudamms in Assuan, Ägypten nubische Anwohner:innen aus ihren Dörfern vertrieben. Ihre Dörfer wurden überflutet – und damit auch ein großer Teil ihrer kulturellen Errungenschaften. Das Versprechen der aktuellen ägyptischen Regierung, den Nubier:innen ihr Land zurück zu geben, wurde bislang nicht eingelöst.

In einem nubischen Dorf, das vor der Vertreibung seiner Bewohner:innen im Herzen von Assuan lag und sich jetzt außerhalb seiner Grenzen befindet, bestehend aus zwei Bahnhöfen und Häusern mit Schlammwänden, die jedes Mal bröckelten, wenn wir uns darauf stützten, legte ich meinen Kopf auf die Schulter meiner Großmutter. Ich hatte sie sehr vermisst, als ich zur Jahresmitte auf die Ferien gewartet habe, um nach Assuan zu reisen und bei ihr zu bleiben.

In den Schulferien, die ich in Assuan verbrachte, beschäftigte ich meine Großmutter mit vielen Fragen und mehreren Vergleichen: „Warum sind die Häuser hier nur ebenerdig?“ „Warum sagen die Kinder in der Schule ‚Nina‘, wenn sie über ihre Omas sprechen und nicht ‚Seti‘?“ „Warum nennt mich hier niemand ‚Schokolade‘?“ Ich wusste auch nicht, warum sie glaubten, dass mich diese Bezeichnung ärgern würde.

Die Flut von Fragen überstieg die Energie und die Sprache meiner Großmutter. Sie wechselte zwischen nubischer Sprache und ägyptischer Umgangssprache mit nubischem Akzent, um meine Fragen zu beantworten. Mit ihrem großen schwarzen Schal, den sie mehrmals um sich gewickelt trug, wischte Sie mein Gesicht ab und sagte dabei Worte wie „Schokolade“, „Schwarzer“ und “haben sie dich im Ofen vergessen, oder was?“

Sie hielt meine Hand und wir gingen zusammen barfuß über den Sand unseres Dorfes. Der Sand des Dorfes kannte sie gut und tat ihr nicht weh, und vielleicht, um sie zu ehren, tat mir der Sand auch nicht weh.

Sie riet mir: ”Wenn jemand zu dir Schwarzer sagt, frag ihn: „Hältst du dich vielleicht für eine Herbstrübe?*“ Meine Großmutter wiederholte diesen Satz und ich verstand seine Bedeutung nicht, und wegen seiner ironischen Ernsthaftigkeit war ich nicht daran interessiert, nach seiner Bedeutung zu suchen. Vielleicht hatte ich das Gefühl, dass es für jede:n Weiße:n schwierig war, einer Herbstrübe zu gleichen. Einmal fragte ich meine Oma, ob wir Herbstrüben seien. Daraufhin lachte sie laut und hielt sich verschämt die Hand vor den Mund, um die im Laufe der Zeit entstandenen Zahnlücken zu verstecken. Sie sagte dann zu mir: „Nein, wir sind Schokolade, leider, wir man so sagt, aber Schokolade ist teurer als Milch!“

Zuhause

Ich stand früh auf, um den Duft des Brotes zu riechen, das meine Großmutter vor Sonnenaufgang gebacken hatte. Der Geruch vermischte sich mit der kühlen Morgenbrise, als würde meine Oma den Morgen für uns backen und nicht nur das Brot. Ich stand im Hof des Hauses, dessen Wände mit blassen Mustern und Farben nubischer Herkunft übersät sind. Dort blickte ich auf ein Bild mit zerbrochenem Rahmen. Es zeigte meinen Großvater, als er Mitte vierzig war. Dann fiel mein Blick auf ein Porträt meiner Großmutter, das sie in ein Loch in der Wand gestellt hatte. Es stand neben einigen teuren Töpfergefäßen und war von Baumblättern umgeben. Ich weiß nicht, ob meine Großmutter die Blätter hingelegt hatte, oder ob sie von selbst mit dem mit Brotduft beladenen Wind gekommen sind, um das Bild zu schmücken. Der Hof des Hauses ist nicht überdacht und ich konnte direkt in den Himmel schauen. In einen Himmel, der Wolken über das Haus ziehen lässt, um uns vor den Sonnenstrahlen zu schützen.

Nichts in diesem Haus erinnerte an die Geschichte, die wir aus der Schule kannten, denn auch meine Großmutter musste sich nach der Vertreibung von der Geschichte lösen: In ihren schwarzen Gewändern trug sie auf der Flucht Teekannen, Kochutensilien und Maiskörner. Die Maiskörner nahm sie als Erinnerung mit und in Dankbarkeit für ihre landwirtschaftlichen Ernten, die mit dem Jubel eines hungrigen Volkes und der Hoffnung auf eine Zukunft im Wasser des Staudamms ertrunken waren. Diese Erinnerung an das Volk der Nubier:innen musste sie töten.

Der Esel

Das Radio lieferte den  Soundtrack zu den Szenen im Haus meiner Großmutter. Vielleicht hat die Koran-Sure mit dem Backen, dem Geruch von kochenden Bohnen und dem Geräusch des Klopfens meiner Großmutter an die Tür des Kükenzimmers** ganz automatisch harmoniert. Diese Harmonie wurde in der Nachrichtensendung durch das Wort „Produktionsrad“ gestört, das wiederum vom Eintreten meines Onkels samt dessen Esel begleitet wurde. Ein Mann im Alter von etwa siebzig Jahren kam mit einem Baumstamm herein, den er als Gehstock verwendete und einem Esel, der ihm näher als alle Menschen stand. Der Onkel wusste nichts von Tierrechten und hatte noch nie an einer Versammlung teilgenommen, um für die Rechte der Pinguine in der Arktis zu kämpfen, aber er freundete sich instinktiv mit Tieren an. Der Onkel lernte von klein auf nach der Schule der Maliki und arbeitete an deren Rechtsprechung mit. Die Madhhab von Imam Malik ist eine Rechtsschule, der die Menschen im Süden Ägyptens und in fast allen afrikanischen Ländern folgen. Ausnahmen sind einige Länder an der Ostküste Afrikas, wie Somalia, das in der Nähe des Jemen liegt und deshalb der jemenitischen  Schafi’i-Schule angehört. Nach dem Tod meines Onkels stand der Esel vor der Tür des Hauses und wartete darauf, dass mein Onkel in den Schuppen ging. Er kam aber nicht und so blieb der Esel die ganze Nacht bis zu seinem Tod stehen. Dieser trat eine Woche später ein, nachdem Verwandte versuchten, ihn mit Gewalt von seinem Platz zu bewegen.

Revolution und Widerstand

Der Geruch des Gases auf dem Tahrir-Platz während der Januarrevolution erreichte Nubien nicht, die Nubier:innen gingen nicht auf die Demos, um den Sturz des Regimes zu fordern. Sie fühlten sich diesem Staat nicht mehr zugehörig, aber die Bindung an das versunkene Erbe und an das gestohlene Land blieb ebenso wie das Volk, das Abdel Nasser zugejubelt hatte und ihn noch wegen des hohen Damms bejubelte. Mit großer Begeisterung erzählte ich meiner Großmutter von der Revolution und den Geschehnissen, und sie wiederum erzählte mir, dass die Dorfjugend vor dem Gouvernementsgebäude Zelte aufgebaut hatte, um das Recht auf Rückkehr in unser Land einzufordern. Man kann also nicht behaupten, dass die gesamte neue Generation das gleiche Ziel verfolgte: während die Älteren den Traum von Rückkehr und Umsiedlung in ein ähnliches Land nicht aufgeben konnten, lagen zumindest die Positionen der Jüngeren zwischen denen, die das gesamte Erbe des Traums übernahmen und ihn durch Sitzstreiks und Proteste verteidigten und anderen wie mir, die nichts von diesem geraubten Recht gewusst hatten, weil sie in den Massen von Kairo inmitten der Kämpfe um ihre eigene Existenz lebten.

Der „trockene Osten“

Vor kurzem habe ich das Mittelmeer überquert um nach Ostdeutschland zu ziehen. Ich wusste sehr gut, dass das Leben im Osten nicht einfach ist, aber ich hatte keinen blassen Schimmer wie es wirklich sein würde. Bevor ich in den „trockenen Osten“ zog, wie ein Freund von mir ihn nannte, besuchte ich in Bremen, einer Stadt im Norden, ebendiesen Freund. Er erzählte mir, was er über den Osten gehört hatte, und ich pflegte sarkastisch zu sagen, dass dadurch, dass ich „Muslim/Araber/Schwarzer“ bin, der Rassismus verdreifacht würde.

Furcht machte sich in meinem Kopf breit und Angst stieg in meinem  Herzen auf, als ich im Innenhof der Universität Bremen ein Schild mit der Aufschrift „Nazis in Sachsen“ neben mehreren Schildern mit anti-rassistischen Worten las; es war an dem Tag, bevor ich in den Osten reiste.

In Deutschland habe ich mehrere rassistische Situationen erlebt, an die ich mich nicht mehr erinnern möchte, mein Wortschatz könnte mir nicht helfen, alles auszudrücken… Ich versuche sie aus meinem Gedächtnis zu löschen, indem ich nach positiven Erlebnissen in meinem Tag suche und jeden Tag eine Stunde lang lese; das ist die Zeit, die der Zug braucht, um mich zum Deutschkurs zu bringen. Manchmal vergeude ich die Stunde, ohne zu lesen, wegen des Anblicks der grünen Felder, die zu einem völlig ausgebleichten Stück Land geworden sind. Oder damit, eine Mutter zu beobachten, die versucht, die Ekstase ihres Kindes einzufangen, das nach Farben, Regen, Schnee und dem Zug fragt. Aber auch wie dieses Kind wegen meiner Hautfarbe irritiert ist, die Verlegenheit der Mutter sowie ihre Versuche, die Aufmerksamkeit ihres Kindes auf etwas Anderes zu lenken. Mich stören die rassistischen Worte über meine schwarze Farbe überhaupt nicht. Ich denke an die Antwort meiner Oma, als ich sie fragte: „Stimmt das, was sie mir sagen, Oma, dass Dunkelsein die Hälfte der Schönheit ist?“ Sie antwortete selbstbewusst: „Mein Kind, Dunkelsein ist die ganze Schönheit… nicht die Hälfte!”

*Eine Anspielung auf das dunkle, violette Außen und weiße Innere einer Herbstrübe.
** Ein Zimmer im Haus, in dem Hühner aufgezogen werden.

Text: Eslam Krar
Übersetzung: Jad TurJman
Bearbeitung: Julia Jesser
Bild: Eslam Krar/Jasmin Biber

Weitere Hintergrundinformationen zu der Vertreibung der Nubier:innen aus Assuan findest du hier.

Black Lives Matter. Und jetzt?

Wie du mit etwas Zeit und Geld politische Entscheidungen treffen kannst

Nachdem #blackouttuesday, Empfehlungen für antirassistische Lektüren und Protestbilder weitestgehend aus unseren Instagram-Timelines verschwunden sind – was bleibt von den vielen offen gezeigten Solidaritätsbekundungen? Was tun, mit dieser ganzen Awareness? Und die bessere Frage: wie kann jede*r mit seinen/ihren* Ressourcen dazu beitragen, dass echte Veränderung eintritt?

Es hilft niemandem, wenn wir uns alle bloß „aware“ und „woke“ fühlen um danach wie bisher mit unserem Leben weiter machen. Denn eigentlich geht es um etwas ganz anderes: echte gesellschaftliche Veränderung. Und diese muss, wie vergangene Befreiungsbewegungen wie die Frauenbewegung gezeigt haben, von unten hart erkämpft werden. Wie auch an der Frauenbewegung zu sehen ist, war echte Veränderung bisher leider ein langwieriger und kleinteiliger Prozess, der jetzt auch nach hundert Jahren immer noch nicht abgeschlossen ist. Die Veränderung trat langsam ein, sobald die Anliegen der Bewegungen in der Mainstream-Politik angekommen, ernst genommen und normalisiert wurden. Aber die Veränderung war und ist damit noch keineswegs abgeschlossen! (auch wenn selbst die CDU gerade versucht, ‚frauenfreundlicher‘ zu werden)

Ein weiteres gutes Beispiel für Veränderung liefert auch die Fridays-for-Future-Bewegung, welche es durch ihre Hartnäckigkeit geschafft hat, den Klimaschutz auf die Agenda der breiten Masse zu setzen. Plötzlich sprechen alle über den Klimawandel, selbst Unternehmen halten es nun für erstrebenswert, einen „grünen“ Ruf zu haben. Auch die meisten Parteien mussten sich mittlerweile mehr oder weniger eingestehen, dass die Notwendigkeit, die Folgen des Klimawandels einzudämmen, nicht einfach eine Ideologie ist, sondern ein ernstzunehmendes gesamtgesellschaftliches Problem. Genauso wie Klimaschutz und Frauenrechte sollte die Auflösung von strukturellem Rassismus und systematischer Diskriminierung von marginalisierten Gruppen auf der breiten politischen Agenda stehen. Die Existenz von strukturellem Rassimus soll allgemein anerkannt werden, um genau diesem entgegen steuern zu können. Es sollten Gesetze verabschiedet werden, die Diskriminierung eliminieren und Lehrpläne sowie Schulbücher überarbeitet werden. Es liegt in der Verantwortung von uns Weißen dieses System, von dem wir jahrhundertelang auf Kosten von Schwarzen profitiert haben, abzubauen.

Und was kann ich als weißer Mensch jetzt tun?

Es ist leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Vor allem, wenn man auf einem bequemen Stuhl sitzt. Ich selbst habe mir diese Frage auch schon sehr oft gestellt: Wie kann ich dazu beitragen, dass der aktuelle Diskurs und die Proteste, wie sie momentan insbesondere auf Instagram und auf der Straße stattfinden, zu tatsächlicher Veränderung führen? Allein diese Frage hinterlässt Ratlosigkeit bei den meisten. Denn die Veränderung eines Systems ist etwas Großes. Allerdings gibt es Dimensionen, auf die jeder Mensch zumindest ein bisschen Einfluss haben kann. Es sind vor allem lokale Organisationen, Vereine und Verbände, die sich für Veränderung einsetzen und aktiv im Interesse von marginalisierten Gruppen arbeiten. Aber leider sind es auch oft lokale Organisation, Vereine und Verbände, denen es an Mitteln fehlt, diese Interessen für sich zufriedenstellend durchzusetzen, weil sie keine staatliche Unterstützung bekommen.

Vor der eigenen Haustür kehren

Lokale Organisationen sind vor allem deshalb wichtig, weil sie auf kommunalpolitischer Ebene Einfluss üben und damit vor Ort Veränderung bewirken. Sie dienen als Auffangnetz für marginalisierte Communities und setzen sich aus Menschen unterschiedlichen Alters sowie unterschiedlicher Gesellschaftsschichten zusammen. Diese Vereine brauchen Unterstützung, um zu überleben. Gerade hier kann das Geld, das wir zur Zeit nicht für Urlaub und Feiern ausgeben, eine große Hilfe sein. Wer noch etwas übrig hat, kann auf vielen Aktivist*innen-Accounts leicht internationale Anlaufstellen finden, mit denen man die Black Lives Matter-Bewegung finanziell unterstützen kann.

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Looks like @instagram is up to its censorship game again. We were told by multiple people that intended to tune in for today’s live that they did not even get a notification that we went live and that they couldn’t see we were live at all. Additionally, we’ve had a number of you tell us our posts and stories are not coming up in your feed & that you only see our content when you come to our page. While this is frustrating, we have never let it derail us from the work. . We are sharing with you because this is why it is so important that you engage w/ our content. When you like, comment & share our posts, you help us fight back on how Instagram limits our reach. . It is CRITICAL that we oppose & DISMANTLE systems of oppression but we must also be committed to replacing them with a system of JUSTICE. If you didn’t get to catch the live we did with our brother @djuan____ today, you can still catch it on our IGTV. It’s the most recent upload, titled “Hold Their Feet to the Fire”. . ? For those that were able to tune into the live or who have had the chance to watch the replay, we would love to hear your feedback! In the comments for this post, please leave some takeaways or things you learned today ? . Here were the questions we covered: . 1. What have we learned from the most recent uprising? What impact has it made? . 2. What can we learn from revolutionaries of the past in regards to what is most effective? . 3. How has revolution been quelled throughout history? Why is it critical that we remain vigilant and prepared for the ways in which systems of oppression will transform and shapeshift? . 4. How can we get tangible results? . 5. How do we sustain & maximize this revolutionary energy? . . If you learned from what @djuan____ was speaking on today & you want to show appreciation for his time, we invite you to send any amount of $$$ to the CashApp he has created specifically for the funding of THE WORK. D’Juan is constantly giving his money, time and resources to important community-lead, justice-oriented organizations. You can grow that impact by sending to: $fundtherevolution

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Aber ich habe kein Geld – was jetzt?

Natürlich hat nicht jede*r die finanzielle Möglichkeit zu spenden – und das ist völlig okay. Zeit kann genauso wertvoll sein. Geh mit den Buntmacher*innen von Tür zu Tür und überzeuge Nicht-Wähler*innen, wählen zu gehen. Frage den Kulturverein von nebenan, ob sie noch ein paar Hände gebrauchen können, um ihren Garten umzugraben. Biete Initiativen deine Photoshop-Skills an. Biete Räume an, damit BIPoC-Communities sich untereinander treffen und/oder Workshops halten können. Gib geflüchteten Kindern Nachhilfe. Wenn du Racial Profiling auf der Straße beobachtest: frag den/die Betroffene*n, ob er/sie deine Hilfe braucht und schreite, wenn gewünscht, ein. Hör nicht auf, auf Demos zu gehen. Unterstütze die Demos mit Ressourcen für die Protestierenden, wenn gebraucht. Geh wählen. Hör nicht auf, deinen eigenen internalisierten Rassismus offen zu hinterfragen und sprich darüber mit Freund*innen. Gib BIPoC einen Platz auf deiner Plattform oder an deiner Firma. Helfe mit deinen Konsumentscheidungen, BIPoC sichtbarer zu machen: schaue Filme und lese Bücher von Nicht-Weißen – und zwar nicht nur über Rassismus. Komme in Kontakt mit Menschen, die außerhalb des Radius deines bisherigen Umfelds liegen.
Die Liste mit Dingen, die tagtäglich getan werden können, geht noch unendlich weiter und ist hier auf keinen Fall vollständig. Diese Dinge sind auch nichts, die einfach einmal abgearbeitet sind – sie sollten als Gewohntheit dauerhaft in den Alltag integriert werden. Aber was auch immer du tust: Stelle dich dabei niemals selbst in den Vordergrund, sondern trete zur Seite und mache Platz für Stimmen, die gehört werden sollen.

Da es auch in Chemnitz lokale Organisationen gibt, die wertvolle Arbeit leisten und es in jedem Fall wert sind, auf welche Art auch immer unterstützt zu werden, haben wir hier eine kleine Liste zusammengestellt:

aguia e.V. Migrationssozial- und Jugendarbeit
Selbstbeschreibung: „Mit der Arbeit in unseren Projekten bieten wir Beratung und Betreuung für Migranten an, um Orientierung und Integration zu unterstützen. […] Um Einheimischen und Migranten die Möglichkeit zu bieten, ihre jeweiligen Unterschiede kennen zu lernen, aber auch Gemeinsamkeiten zu entdecken, bieten sich in vielen unserer Projekte Möglichkeiten, Begegnungen und damit neue Erfahrungen zu schaffen. […]
In unseren Projekten der Jugendarbeit finden Kinder und Jugendliche Möglichkeiten, ihre sozialen und interkulturellen Kompetenzen zu stärken, indem sie Erfahrungen mit anderen Kulturen machen und Kenntnisse darüber erlangen, lernen, mit Konflikten und Gewalt konstruktiv umzugehen, und Angebote erhalten, ihre Freizeit sinnvoll zu verbringen.“
Dafür möchte ich spenden!
Ich möchte mithelfen!

Antidiskriminierungsbüro Sachsen e.V.
Selbstbeschreibung: „Als ADB Sachsen arbeiten wir auf der Grundlage des AGG [Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes] und wirken an seiner Weiterentwicklung mit. Wir benennen jedoch Diskriminierung auch dort, wo sie nicht vom AGG abgedeckt wird. Doch Rechte – wie das AGG – müssen bekannt sein, um sie nutzen zu können. Unser Anliegen ist daher: potentiell oder konkret von Diskriminierung Betroffene über ihre Rechte aufzuklären, Multiplikator_innen und Fachkräfte über die bestehenden Möglichkeiten zu informieren, gegen Diskriminierung vorzugehen, sowie langfristig das Bewusstsein für (Anti-)Diskriminierung in der Alltagskultur zu etablieren.“
Dafür möchte ich spenden!

arabischer Verein für Integration und Kultur in Chemnitz e.V.
Selbstbeschreibung: „Der Hauptzweck des Vereines ist die Förderung die Integration der arabischen Gemeinde in Chemnitz in die deutsche Gesellschaft, insbesondere durch Zusammenarbeit in Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur. Außerdem fördert der Verein die Unterstützung der positiven Integration der arabischen Kinder in die deutsche Gesellschaft, insbesondere im Bildungsbereich. Weiterhin fördert der Verein die Entwicklung des gegenseitigen Verständnisses und Vertrauens auf freundlicher Basis zwischen den Deutschen und Arabern in Chemnitz.“
Der Verein hat sich u.a. beim „Tribunal NSU-Komplex auflösen“ mit engagiert.
Dafür möchte ich spenden!

Courage – Werkstatt für demokratische Bildungsarbeit e.V.
Selbstbeschreibung: „Das NDC [Netzwerk für Demokratie und Courage] steht für die Ächtung von Rassismus. Wir bestärken den Mut zum Antirassismus in einer von rechten Gedanken beeinflussten Alltagskultur. Es geht uns nicht darum, handfeste Nazis zu bekehren. Wir fordern Zivilcourage jedes_r Einzelnen heraus – nur wer selbst aktiv wird, kann etwas verändern. Wir stärken soziale Kompetenzen wie Empathiefähigkeit, gerade mit Opfern rechter Gewalt und bei Diskriminierung. […] Wir kommen mit Jugendlichen ins Gespräch. Dafür gehen wir an die Schulen, und das ehrenamtlich. Unsere Methoden dafür sind die Projekttage „Für Demokratie Courage zeigen“. In zwölf Bundesländern und in Frankreich werden die Projekttagskonzepte nach einheitlichen und auswertbaren Qualitätsstandards durchgeführt.“
Dafür möchte ich spenden!

Netzwerk für Integration und Zukunft e.V.
Selbstbeschreibung: „Das Netzwerk für Integration und Zukunft e.V. wurde von engagierten Chemnitzern gegründet, die es sich zur Aufgaben gemacht haben, eine positive Willkommenskultur für und mit Flüchtlingen hier in unserer schönen Stadt Chemnitz zu entwickeln.
In unserem Netzwerk arbeiten Unternehmer, Vertreter von Hilfsorganisationen in enger Kooperation mit weiteren Vereinen, Seite an Seite mit ehrenamtlichen und freiwilligen Helfern.
Wir bündeln die jeweiligen Kompetenzen um punktgenaue Hilfe für Flüchtlinge zu leisten.
Langfristig ist unser Ziel, der demografischen Entwicklung in Chemnitz entgegenzuwirken, Flüchtlinge bei ihrem Neuanfang in Chemnitz zu unterstützen, sie gemeinsam mit den Chemnitzer Bürgerinnen und Bürger ins öffentliche Leben, in Vereine und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Jeder, der uns in diesem Sinne unterstützen möchte, ist herzlich willkommen.“
Dafür möchte ich spenden!

RAA Sachsen e.V. – Support für Opfer rechter Gewalt
Selbstbeschreibung: „Das Projekt „Support“ des RAA Sachsen e.V. unterstützt Betroffene rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt, deren Angehörige und Zeug*innen. Wir unterstützen dabei Angriffsfolgen zu bewältigen und die eigenen Rechte wahrzunehmen. Wir geben Orientierungshilfen und entwickeln gemeinsam individuelle Lösungen. Unsere Arbeit hilft Betroffenen, das eigene Sicherheitsgefühl zu erhöhen, Selbstwirksamkeit zu erleben, die Kontrolle über das eigene Leben zurück zu erlangen und Solidarisierungsprozesse zu fördern. Wir informieren über die Situation Betroffener, machen auf deren Perspektive in Gesellschaft und Politik aufmerksam und berichten über Ausmaß, Folgen und Wirkungsweisen rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt. „Support“ arbeitet parteilich, aufsuchend, kostenlos und vertraulich. Wir betreiben Beratungsstellen in Dresden, Chemnitz und Leipzig sowie eine Onlineberatung.“
Dafür möchte ich spenden!

Antirassistische Initiativen in Chemnitz/Sachsen
Chemnitz Nazifrei
Aufstehen gegen Rassismus Chemnitz
Bündnis gegen Rassismus

BIPoC Organisationen in Deutschland
Women in Exile
Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e.V.
Each one teache one
Amadeu-Antonio-Stiftung

Antirassistische Bildungsarbeit in Deutschland
Phoenix e.V.
Exit Deutschland – Aussteigerprogramm gegen Rechtsextremismus
Antirassistisch Interkulturelles Informationszentrum Berlin e.V.

Die vorgestellten Organisationen sind natürlich nur eine handvoll der vielen Initiativen, Projekte und Vereine die wichtige Arbeit tun – es gibt viele mehr, die wir nicht nennen konnten, weil diese Aufzählung sonst zu lang und unübersichtlich geworden wäre. Falls Deine Organisation nicht auf dieser Liste aufgetaucht ist oder Du noch weitere kennst, die sich für BIPoC in Chemnitz oder Sachsen einsetzen: schreib uns!

Besser als eine einmalige Spende ist selbstverständlich ein Dauerauftrag. Vielleicht hast du die Möglichkeit, wenigstens 3-5€ im Monat für einen Dauerauftrag an deine Lieblingsorganisation locker zu machen? Und stattdessen das unbenutzte Abo fürs Fitnessstudio zu kündigen? Ich selbst habe meiner Masterarbeit zuliebe meinen Netflix-Account gekündigt. Das gesparte Geld geht an women in exile e.V.

Leider ist die RABBAZ Redaktion selbst sehr homogen und weiß. Wir wünschen uns sehr, diverser zu werden und vielfältigere Perspektiven einzubringen. Du glaubst, du kannst deinen Teil dazu beitragen? Super, schick uns einfach eine Mail an rabbaz.mag@gmail.com, oder schreib uns auf Facebook oder Instagram. Wir freuen uns auf dich 🖤

Verwendete Quellen und/oder Inspiration:
@aaron___philip
@aminatabelli
@gahpextwin
@hoe__mies
@nowhitesaviors
@tupoka.o
@wirmuesstenmalreden
empfehlenswert: how to be an ally guide „BIPOC-White Allies“ von Wir muessten mal reden

Text: Julia Jesser
Foto: Chris Fitch @iamchrisfitch auf einer Black Lives Matter Demo in Zwickau organsiert von @roterbaumzwickau und @aktivisti.zwickau

Don’t be afraid to care! Wie du dich Rassismus entgegenstellen kannst.

Es gibt Rede- und Handlungsbedarf. Darüber, dass wir ein Rassismusproblem in unserer Gesellschaft haben. Darüber, dass jetzt jeder an der Reihe ist, seine eigenen Privilegien zu hinterfragen. Mit Hanau steht das ganze medial stark im Fokus, aber es muss mehr bleiben. Die Thematik ist klar, Diskriminierung jeder Art und Rassismus auf jeder Ebene bedeuten Opfer.

Wenn wir uns am Diskurs beteiligen wollen, müssen wir beginnen uns die simpelsten Fragen zu stellen und uns mit jeder einzeln auseinanderzusetzen. Apolitisch sein ist keine Option. Wir alle sind Teil dieser Gesellschaft und haben damit entsprechende Verpflichtungen nachzukommen. Jedes Schweigen ist ein Nein und das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Betroffenen und für unsere Demokratie! Es bedeutet, dass es nicht so schlimm ist. Auch dagegen sein reicht nicht mehr, wir müssen das Problem strukturell angehen.

Wenn wir von einer weißen Mehrheitsgesellschaft sprechen, ist das kein Angriff! Es dürfen aber nicht die immer selben Menschen sein, die im Diskurs dazu laut werden. Keiner von ihnen steht in der Pflicht, auf Grund seiner Betroffenheit zu erklären. Schafft euch die Grundlagen zum zuhören und mitreden, verhandeln und diskutieren. Das bei einem so komplexen Thema der Einstieg schwerfallen kann, stellen wir nicht in Frage.

Rassismus ist nicht immer Vorsatz und nicht nur das grausame Verbrechen eines Individuums. Um Rassismus zu entlarven und aktiv eine Veränderung herbeizuführen, braucht es einem neuen Umgang mit der Thematik.

# Gesicht zeigen

In Situationen wie der in Hanau, ist zunächst nichts wichtiger als sich präsent zu zeigen und zu solidarisieren. Frag deine Mitmenschen wie es ihnen damit geht, ob sie etwas benötigen. Biete ihnen deine Hilfe an, zeige dich. Und wenn du glaubst das dir die richtigen Worte fehlen, reicht manchmal auch hinhören. Eva Schulz von Deutschland 3000 etwa, hat eine Karteikartenbox, in der sie Aussagen zu unterschiedlichen Themen sammelt. Auch das ist eine Möglichkeit an komplexere Themen heranzutreten.

# Bildet euch – eine Diskussionsgrundlage

Verbringt eure Zeit auf Social Media doch auch einmal auf anderen Accounts. Es gibt eine Vielzahl an Personen und Formaten, die privat und institutionell Aufklärungsarbeit gegen Rassismus leisten. Uns haben sie geholfen gewisse Themenpunkte besser zu verstehen oder auch mal die Perspektive zu wechseln. Beiträge liken ist toll, reicht aber nicht. Swiped auch mal nach oben und nehmt euch die Zeit für den ein oder anderen Beitrag der länger ist.

@a_aischa                                              @tupoka.o

@alice_haruko                                       @nowwhitesaviors

@wanalimar                                           @officialronny1

@helen_fares                                          @dariadaria

@duzentekkal                                         @aminatabelli

@amaniabuzahra                                   @salwa.benz

Für eine bessere Diskussionsgrundlage und mehr Hintergrundwissen empfehlen wir euch außerdem diese Bücher:

Hengameh Yaghoobifarah & Fatma Aydemir: Eure Heimat ist unserer Albtraum

Alice Hasters: Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten

Theodor Adorno: Aspekte des neuen Rechtsradikalismus

Carolin Emcke: Gegen den Hass

Tuboka Ogette: Exit racism

Noah Sow: Deutschland Schwarz Weiss der alltägliche Rassismus

Und damit wirklich keiner eine Ausrede hat, weil er lieber reinhören möchte. Auf Spotify findet ihr:

Weißabgleich – taz Podcast von Poc

DiversityFM – Der Podcast

Tupodcast

Kanackische Welle

# Sprecht es aus

Oft gibt es die Möglichkeit bei Podiumsdiskussionen vorbei zu schauen oder mit Menschen, die sich in der Materie bewegen ins Gespräch zu kommen.  Eine Workshopreihe, die sich konkret mit Rassismus auseinandersetzt, ist „Become an Ally“. Dieser Workshop ist für alle die selbst von Diskriminierung nicht betroffen sind, sich aber aktiv dagegen einsetzen wollen und nach Handlungsstrategien suchen. Infos zu den nächsten Veranstaltungen findet ihr auf der Seite der Rosa Luxemburg Stiftung.

Orte in Chemnitz, an denen öfters Vorträge und Diskussionen stattfinden sind unter anderem:

Club der Kulturen

Das Odradeck

AJZ

Subbotnik

Arthur e.v

Außerdem:
Sprecht mit euren Familien, Freund*innen, Arbeitskolleg*innen. Selbst wenn nicht alles immer unbedingt eurer Meinung entspricht, regt es dazu an, andere Perspektiven zuzulassen und vielleicht neue Grundlagen zu finden.  

#4 Verändert was

Wenn ihr nun an dem Punkt angelangt seid, etwas verändern zu wollen und euch einzubringen, könnt ihr das z.B. hier tun:

Buntmacher*innen

Chemnitz Nazifrei

Horizont Magazin

Chemnitzer Jugendforum

Aufstehen gegen Rassismus

Habt keine Angst etwas „falsch“ zu machen. Wir haben tausendfach wiederholt, wie wir denken und reagieren und uns Routinen geschaffen. Wir sind darauf konditioniert uns sicher fühlen zu wollen und darin liegt vielleicht ein wenig die Herausforderung. Hinterfragt euer Normal, eure Reaktionen, eure Routinen.

Zu keinem Zeitpunkt und keinem Weltgeschehen, sollten wir aufhören uns Gedanken zu machen, zu hinterfragen und füreinander Da zu sein. #Wirsindmehr, wenn wir aufeinander zugehen können, ohne Missionierungsauftrag, ohne die eine Wahrheit, aber mit Empathie für den Anderen.

Text: Sibel & Svenja

Illustration: Julia Kütter