„Die Antwort auf die Frage nach dem Sinn jugendlicher Unruhe“

– Ron Williams, deutsch-amerikanischer Schauspieler und Moderator zum Musical Hair

Vergangenen Freitag feierte das Sommerprojekt des Chemnitzer Theaters, das anfänglich noch für ordentlich Wirbel gesorgt hatte, auf der OpenAir Küchwaldbühne endlich Premiere.

Bis zur ersten Aufführung des Bühnenstückes Hair in Chemnitz, hatte das Projekt einiges zu überwinden. Infolge der Beschränkungen der Covid19-Pandemie wurde der jährliche Plan des Chemnitzer Theaters auf die Probe gestellt und verlangte die Kürzung des Stückes. Gestrichen wurden alle Rollen Schwarzer Darsteler*innen. Diese Entscheidung brachte dem Theater große Kritik ein.

 „Überall auf der Welt war die Jugend unruhig geworden. Demonstrationen, Go-in, Hippie-Bewegung, Provokation – Protest-Symptome einer unruhigen Übergangszeit.“

– R.Williams

Das Musical Hair stammt aus der Feder von Gerome Ragni, James Rado und Galt MacDermot und wurde erstmals im Jahr 1967 als Off-Broadway gespielt, bevor es ein halbes Jahr später an den Broadway ging. Es erzählt die Geschichte einer Gruppe langhaariger Hippies, die in New York leben, lieben und das Establishment satthaben. Vietnamkrieg und Dreiecksbeziehungen, lustvoll und ziellos, Patriot und Pazifist. So zeichnet das Musical den Aufschrei und die Zerrissenheit einer ganzen Generation und schafft ein spürbares Spannungsfeld des Widerspruchs.

Es geht aus einer Zeit hervor, in der die Forderungen nach Umstrukturierung lauter werden und ein zunehmend großer Teil der Gesellschaft sich von vorherrschenden autoritären, diskriminierenden und rassistischen Strukturen befreien will. Es entstehen zahlreiche Protestbewegungen, eine davon ist die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung, ihr Nachhall reicht bis in den Westen der Welt und beschreibt heute das Kapitel der Studenten- beziehungsweise Mai-Unruhen.

Rassismus ist ein zentrales Thema des Musicals. Es ist vor allem auch für viele Schwarze Künstler*innen Möglichkeit für eine Rolle gewesen, denn stereotype Besetzungen machen auch um deutsche Theaterhäuser noch keinen großen Bogen.

Dass dieser Fehler nicht hätte passieren dürfen, sieht das Chemnitzer Theater ein und korrigiert sein Handeln. Weil Hair Symbolbild seiner Zeit ist, indem es um die friedvolle und gewaltfreie Vision einer Jugend geht, die sich gegen autoritäre und rassistische Strukturen auflehnt, trifft es den Nerv unserer Gegenwart auf bedenkliche Weise – denn auch ein halbes Jahrhundert später begleiten uns einige der infrage gestellten Strukturen noch immer.

Dass wir weiterhin dazu angehalten sind, auch jene zu hinterfragen, die wir selbstverständlich frei von Fehlern und diskriminierenden Strukturen sprechen, beweisen die Theater Chemnitz mit ihrem Sommererlebnis nur gut. Nicht aber um uns gegenseitig an den Pranger zu stellen, viel mehr, um gemeinsam und voneinander zu lernen. Die Bereitschaft an diesem Diskurs teilzunehmen und Entscheidungen zu überdenken, Einsicht zu zeigen, dass sich die Dinge verändern und verändern müssen haben die Theater Chemnitz bewiesen.

Welche nachhaltigen Veränderungen Hair in das Chemnitzer Theater gebracht hat erfahrt ihr bald in einem zweiten Teil. Noch bis zum 11.September könnt ihr das American Tribal Love-Rock Musical auf der OpenAir Küchwaldbühne besuchen.

auf dem Bild zu sehen: Jeannine Wacker (Sheila – Mitte), v. l. n. r.: André Naujoks (Woof), Cassandra Schütt (Crissy), Dennis Weißert (Berger) Foto: Nasser Hashemi/Theater Chemnitz
Text: Redaktion

Black Lives Matter. Und jetzt?

Wie du mit etwas Zeit und Geld politische Entscheidungen treffen kannst

Nachdem #blackouttuesday, Empfehlungen für antirassistische Lektüren und Protestbilder weitestgehend aus unseren Instagram-Timelines verschwunden sind – was bleibt von den vielen offen gezeigten Solidaritätsbekundungen? Was tun, mit dieser ganzen Awareness? Und die bessere Frage: wie kann jede*r mit seinen/ihren* Ressourcen dazu beitragen, dass echte Veränderung eintritt?

Es hilft niemandem, wenn wir uns alle bloß „aware“ und „woke“ fühlen um danach wie bisher mit unserem Leben weiter machen. Denn eigentlich geht es um etwas ganz anderes: echte gesellschaftliche Veränderung. Und diese muss, wie vergangene Befreiungsbewegungen wie die Frauenbewegung gezeigt haben, von unten hart erkämpft werden. Wie auch an der Frauenbewegung zu sehen ist, war echte Veränderung bisher leider ein langwieriger und kleinteiliger Prozess, der jetzt auch nach hundert Jahren immer noch nicht abgeschlossen ist. Die Veränderung trat langsam ein, sobald die Anliegen der Bewegungen in der Mainstream-Politik angekommen, ernst genommen und normalisiert wurden. Aber die Veränderung war und ist damit noch keineswegs abgeschlossen! (auch wenn selbst die CDU gerade versucht, ‚frauenfreundlicher‘ zu werden)

Ein weiteres gutes Beispiel für Veränderung liefert auch die Fridays-for-Future-Bewegung, welche es durch ihre Hartnäckigkeit geschafft hat, den Klimaschutz auf die Agenda der breiten Masse zu setzen. Plötzlich sprechen alle über den Klimawandel, selbst Unternehmen halten es nun für erstrebenswert, einen „grünen“ Ruf zu haben. Auch die meisten Parteien mussten sich mittlerweile mehr oder weniger eingestehen, dass die Notwendigkeit, die Folgen des Klimawandels einzudämmen, nicht einfach eine Ideologie ist, sondern ein ernstzunehmendes gesamtgesellschaftliches Problem. Genauso wie Klimaschutz und Frauenrechte sollte die Auflösung von strukturellem Rassismus und systematischer Diskriminierung von marginalisierten Gruppen auf der breiten politischen Agenda stehen. Die Existenz von strukturellem Rassimus soll allgemein anerkannt werden, um genau diesem entgegen steuern zu können. Es sollten Gesetze verabschiedet werden, die Diskriminierung eliminieren und Lehrpläne sowie Schulbücher überarbeitet werden. Es liegt in der Verantwortung von uns Weißen dieses System, von dem wir jahrhundertelang auf Kosten von Schwarzen profitiert haben, abzubauen.

Und was kann ich als weißer Mensch jetzt tun?

Es ist leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Vor allem, wenn man auf einem bequemen Stuhl sitzt. Ich selbst habe mir diese Frage auch schon sehr oft gestellt: Wie kann ich dazu beitragen, dass der aktuelle Diskurs und die Proteste, wie sie momentan insbesondere auf Instagram und auf der Straße stattfinden, zu tatsächlicher Veränderung führen? Allein diese Frage hinterlässt Ratlosigkeit bei den meisten. Denn die Veränderung eines Systems ist etwas Großes. Allerdings gibt es Dimensionen, auf die jeder Mensch zumindest ein bisschen Einfluss haben kann. Es sind vor allem lokale Organisationen, Vereine und Verbände, die sich für Veränderung einsetzen und aktiv im Interesse von marginalisierten Gruppen arbeiten. Aber leider sind es auch oft lokale Organisation, Vereine und Verbände, denen es an Mitteln fehlt, diese Interessen für sich zufriedenstellend durchzusetzen, weil sie keine staatliche Unterstützung bekommen.

Vor der eigenen Haustür kehren

Lokale Organisationen sind vor allem deshalb wichtig, weil sie auf kommunalpolitischer Ebene Einfluss üben und damit vor Ort Veränderung bewirken. Sie dienen als Auffangnetz für marginalisierte Communities und setzen sich aus Menschen unterschiedlichen Alters sowie unterschiedlicher Gesellschaftsschichten zusammen. Diese Vereine brauchen Unterstützung, um zu überleben. Gerade hier kann das Geld, das wir zur Zeit nicht für Urlaub und Feiern ausgeben, eine große Hilfe sein. Wer noch etwas übrig hat, kann auf vielen Aktivist*innen-Accounts leicht internationale Anlaufstellen finden, mit denen man die Black Lives Matter-Bewegung finanziell unterstützen kann.

View this post on Instagram

Looks like @instagram is up to its censorship game again. We were told by multiple people that intended to tune in for today’s live that they did not even get a notification that we went live and that they couldn’t see we were live at all. Additionally, we’ve had a number of you tell us our posts and stories are not coming up in your feed & that you only see our content when you come to our page. While this is frustrating, we have never let it derail us from the work. . We are sharing with you because this is why it is so important that you engage w/ our content. When you like, comment & share our posts, you help us fight back on how Instagram limits our reach. . It is CRITICAL that we oppose & DISMANTLE systems of oppression but we must also be committed to replacing them with a system of JUSTICE. If you didn’t get to catch the live we did with our brother @djuan____ today, you can still catch it on our IGTV. It’s the most recent upload, titled “Hold Their Feet to the Fire”. . ? For those that were able to tune into the live or who have had the chance to watch the replay, we would love to hear your feedback! In the comments for this post, please leave some takeaways or things you learned today ? . Here were the questions we covered: . 1. What have we learned from the most recent uprising? What impact has it made? . 2. What can we learn from revolutionaries of the past in regards to what is most effective? . 3. How has revolution been quelled throughout history? Why is it critical that we remain vigilant and prepared for the ways in which systems of oppression will transform and shapeshift? . 4. How can we get tangible results? . 5. How do we sustain & maximize this revolutionary energy? . . If you learned from what @djuan____ was speaking on today & you want to show appreciation for his time, we invite you to send any amount of $$$ to the CashApp he has created specifically for the funding of THE WORK. D’Juan is constantly giving his money, time and resources to important community-lead, justice-oriented organizations. You can grow that impact by sending to: $fundtherevolution

A post shared by NO WHITE SAVIORS (@nowhitesaviors) on

Aber ich habe kein Geld – was jetzt?

Natürlich hat nicht jede*r die finanzielle Möglichkeit zu spenden – und das ist völlig okay. Zeit kann genauso wertvoll sein. Geh mit den Buntmacher*innen von Tür zu Tür und überzeuge Nicht-Wähler*innen, wählen zu gehen. Frage den Kulturverein von nebenan, ob sie noch ein paar Hände gebrauchen können, um ihren Garten umzugraben. Biete Initiativen deine Photoshop-Skills an. Biete Räume an, damit BIPoC-Communities sich untereinander treffen und/oder Workshops halten können. Gib geflüchteten Kindern Nachhilfe. Wenn du Racial Profiling auf der Straße beobachtest: frag den/die Betroffene*n, ob er/sie deine Hilfe braucht und schreite, wenn gewünscht, ein. Hör nicht auf, auf Demos zu gehen. Unterstütze die Demos mit Ressourcen für die Protestierenden, wenn gebraucht. Geh wählen. Hör nicht auf, deinen eigenen internalisierten Rassismus offen zu hinterfragen und sprich darüber mit Freund*innen. Gib BIPoC einen Platz auf deiner Plattform oder an deiner Firma. Helfe mit deinen Konsumentscheidungen, BIPoC sichtbarer zu machen: schaue Filme und lese Bücher von Nicht-Weißen – und zwar nicht nur über Rassismus. Komme in Kontakt mit Menschen, die außerhalb des Radius deines bisherigen Umfelds liegen.
Die Liste mit Dingen, die tagtäglich getan werden können, geht noch unendlich weiter und ist hier auf keinen Fall vollständig. Diese Dinge sind auch nichts, die einfach einmal abgearbeitet sind – sie sollten als Gewohntheit dauerhaft in den Alltag integriert werden. Aber was auch immer du tust: Stelle dich dabei niemals selbst in den Vordergrund, sondern trete zur Seite und mache Platz für Stimmen, die gehört werden sollen.

Da es auch in Chemnitz lokale Organisationen gibt, die wertvolle Arbeit leisten und es in jedem Fall wert sind, auf welche Art auch immer unterstützt zu werden, haben wir hier eine kleine Liste zusammengestellt:

aguia e.V. Migrationssozial- und Jugendarbeit
Selbstbeschreibung: „Mit der Arbeit in unseren Projekten bieten wir Beratung und Betreuung für Migranten an, um Orientierung und Integration zu unterstützen. […] Um Einheimischen und Migranten die Möglichkeit zu bieten, ihre jeweiligen Unterschiede kennen zu lernen, aber auch Gemeinsamkeiten zu entdecken, bieten sich in vielen unserer Projekte Möglichkeiten, Begegnungen und damit neue Erfahrungen zu schaffen. […]
In unseren Projekten der Jugendarbeit finden Kinder und Jugendliche Möglichkeiten, ihre sozialen und interkulturellen Kompetenzen zu stärken, indem sie Erfahrungen mit anderen Kulturen machen und Kenntnisse darüber erlangen, lernen, mit Konflikten und Gewalt konstruktiv umzugehen, und Angebote erhalten, ihre Freizeit sinnvoll zu verbringen.“
Dafür möchte ich spenden!
Ich möchte mithelfen!

Antidiskriminierungsbüro Sachsen e.V.
Selbstbeschreibung: „Als ADB Sachsen arbeiten wir auf der Grundlage des AGG [Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes] und wirken an seiner Weiterentwicklung mit. Wir benennen jedoch Diskriminierung auch dort, wo sie nicht vom AGG abgedeckt wird. Doch Rechte – wie das AGG – müssen bekannt sein, um sie nutzen zu können. Unser Anliegen ist daher: potentiell oder konkret von Diskriminierung Betroffene über ihre Rechte aufzuklären, Multiplikator_innen und Fachkräfte über die bestehenden Möglichkeiten zu informieren, gegen Diskriminierung vorzugehen, sowie langfristig das Bewusstsein für (Anti-)Diskriminierung in der Alltagskultur zu etablieren.“
Dafür möchte ich spenden!

arabischer Verein für Integration und Kultur in Chemnitz e.V.
Selbstbeschreibung: „Der Hauptzweck des Vereines ist die Förderung die Integration der arabischen Gemeinde in Chemnitz in die deutsche Gesellschaft, insbesondere durch Zusammenarbeit in Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur. Außerdem fördert der Verein die Unterstützung der positiven Integration der arabischen Kinder in die deutsche Gesellschaft, insbesondere im Bildungsbereich. Weiterhin fördert der Verein die Entwicklung des gegenseitigen Verständnisses und Vertrauens auf freundlicher Basis zwischen den Deutschen und Arabern in Chemnitz.“
Der Verein hat sich u.a. beim „Tribunal NSU-Komplex auflösen“ mit engagiert.
Dafür möchte ich spenden!

Courage – Werkstatt für demokratische Bildungsarbeit e.V.
Selbstbeschreibung: „Das NDC [Netzwerk für Demokratie und Courage] steht für die Ächtung von Rassismus. Wir bestärken den Mut zum Antirassismus in einer von rechten Gedanken beeinflussten Alltagskultur. Es geht uns nicht darum, handfeste Nazis zu bekehren. Wir fordern Zivilcourage jedes_r Einzelnen heraus – nur wer selbst aktiv wird, kann etwas verändern. Wir stärken soziale Kompetenzen wie Empathiefähigkeit, gerade mit Opfern rechter Gewalt und bei Diskriminierung. […] Wir kommen mit Jugendlichen ins Gespräch. Dafür gehen wir an die Schulen, und das ehrenamtlich. Unsere Methoden dafür sind die Projekttage „Für Demokratie Courage zeigen“. In zwölf Bundesländern und in Frankreich werden die Projekttagskonzepte nach einheitlichen und auswertbaren Qualitätsstandards durchgeführt.“
Dafür möchte ich spenden!

Netzwerk für Integration und Zukunft e.V.
Selbstbeschreibung: „Das Netzwerk für Integration und Zukunft e.V. wurde von engagierten Chemnitzern gegründet, die es sich zur Aufgaben gemacht haben, eine positive Willkommenskultur für und mit Flüchtlingen hier in unserer schönen Stadt Chemnitz zu entwickeln.
In unserem Netzwerk arbeiten Unternehmer, Vertreter von Hilfsorganisationen in enger Kooperation mit weiteren Vereinen, Seite an Seite mit ehrenamtlichen und freiwilligen Helfern.
Wir bündeln die jeweiligen Kompetenzen um punktgenaue Hilfe für Flüchtlinge zu leisten.
Langfristig ist unser Ziel, der demografischen Entwicklung in Chemnitz entgegenzuwirken, Flüchtlinge bei ihrem Neuanfang in Chemnitz zu unterstützen, sie gemeinsam mit den Chemnitzer Bürgerinnen und Bürger ins öffentliche Leben, in Vereine und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Jeder, der uns in diesem Sinne unterstützen möchte, ist herzlich willkommen.“
Dafür möchte ich spenden!

RAA Sachsen e.V. – Support für Opfer rechter Gewalt
Selbstbeschreibung: „Das Projekt „Support“ des RAA Sachsen e.V. unterstützt Betroffene rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt, deren Angehörige und Zeug*innen. Wir unterstützen dabei Angriffsfolgen zu bewältigen und die eigenen Rechte wahrzunehmen. Wir geben Orientierungshilfen und entwickeln gemeinsam individuelle Lösungen. Unsere Arbeit hilft Betroffenen, das eigene Sicherheitsgefühl zu erhöhen, Selbstwirksamkeit zu erleben, die Kontrolle über das eigene Leben zurück zu erlangen und Solidarisierungsprozesse zu fördern. Wir informieren über die Situation Betroffener, machen auf deren Perspektive in Gesellschaft und Politik aufmerksam und berichten über Ausmaß, Folgen und Wirkungsweisen rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt. „Support“ arbeitet parteilich, aufsuchend, kostenlos und vertraulich. Wir betreiben Beratungsstellen in Dresden, Chemnitz und Leipzig sowie eine Onlineberatung.“
Dafür möchte ich spenden!

Antirassistische Initiativen in Chemnitz/Sachsen
Chemnitz Nazifrei
Aufstehen gegen Rassismus Chemnitz
Bündnis gegen Rassismus

BIPoC Organisationen in Deutschland
Women in Exile
Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e.V.
Each one teache one
Amadeu-Antonio-Stiftung

Antirassistische Bildungsarbeit in Deutschland
Phoenix e.V.
Exit Deutschland – Aussteigerprogramm gegen Rechtsextremismus
Antirassistisch Interkulturelles Informationszentrum Berlin e.V.

Die vorgestellten Organisationen sind natürlich nur eine handvoll der vielen Initiativen, Projekte und Vereine die wichtige Arbeit tun – es gibt viele mehr, die wir nicht nennen konnten, weil diese Aufzählung sonst zu lang und unübersichtlich geworden wäre. Falls Deine Organisation nicht auf dieser Liste aufgetaucht ist oder Du noch weitere kennst, die sich für BIPoC in Chemnitz oder Sachsen einsetzen: schreib uns!

Besser als eine einmalige Spende ist selbstverständlich ein Dauerauftrag. Vielleicht hast du die Möglichkeit, wenigstens 3-5€ im Monat für einen Dauerauftrag an deine Lieblingsorganisation locker zu machen? Und stattdessen das unbenutzte Abo fürs Fitnessstudio zu kündigen? Ich selbst habe meiner Masterarbeit zuliebe meinen Netflix-Account gekündigt. Das gesparte Geld geht an women in exile e.V.

Leider ist die RABBAZ Redaktion selbst sehr homogen und weiß. Wir wünschen uns sehr, diverser zu werden und vielfältigere Perspektiven einzubringen. Du glaubst, du kannst deinen Teil dazu beitragen? Super, schick uns einfach eine Mail an rabbaz.mag@gmail.com, oder schreib uns auf Facebook oder Instagram. Wir freuen uns auf dich 🖤

Verwendete Quellen und/oder Inspiration:
@aaron___philip
@aminatabelli
@gahpextwin
@hoe__mies
@nowhitesaviors
@tupoka.o
@wirmuesstenmalreden
empfehlenswert: how to be an ally guide „BIPOC-White Allies“ von Wir muessten mal reden

Text: Julia Jesser
Foto: Chris Fitch @iamchrisfitch auf einer Black Lives Matter Demo in Zwickau organsiert von @roterbaumzwickau und @aktivisti.zwickau

Ein Lied von Eis und Feuer. Droht uns eine lange Nacht?

Warum schauen wir Game of Thrones, wenn wir in der Realität als Helden gebraucht werden? Dabei ist die Fantasiewelt um Westeros eine ziemlich treffende Metapher für das Dilemma der Menschheit in der Klimakrise. Dieser Artikel erklärt, warum. (Gastartikel von Lilian. Bild: Desktop Nexus)

— Achtung: dieser Artikel enthält Spoiler zu der Serie Game of Thrones —

Das Jahr 2019 war bisher ein turbulentes Jahr, das dürften wir so ziemlich alle bemerkt haben. Die politischen Präferenzen vieler Menschen haben sich komplett gedreht. Die Ergebnisse der Europawahlen fallen von jeglichen Erwartungen ab. Innerhalb weniger Monate gehen in Deutschland immer größere Teile der von älteren Generationen häufig als äußerst ,,unpolitisch‘‘ bezeichneten jungen Menschen auf die Straße. Sie sind wütend. Sie sehen nicht ein, warum sie in die Schule gehen sollten, wenn so ziemlich jeden Tag neue Hiobsbotschaften bezüglich der Klimakrise in den Nachrichten auftauchen. Sie sind wütend angesichts eines Haufens von immer weiter in leeren Versprechungen redenden Politikern. Es scheint ein Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit zu geschehen. Es ist nicht mehr an der Zeit, eine sich seit langem anbahnende Katastrophe weiter zu ignorieren. Das Prinzip ,,macht euch die Erde untertan‘‘ funktioniert nicht mehr. Es wird immer schwieriger, die Situation schönzureden. So zu tun, als sei das alles nicht so dramatisch. Angesichts Millionen junger Menschen, die, inspiriert von einem sechzehnjährigen Mädchen aus Schweden, nicht aufgeben möchten um ihre Zukunft zu kämpfen. Es ist keine dieser politischen Debatten, die eben mal ein paar Monate überall in den Medien auftaucht und dann wieder abflaut. Es ist etwas Neues, womit unsere Gesellschaft noch keinen angemessenen Umgang gefunden hat. Denn wir alle müssten, wie es aussieht, ein mächtiges Stück unserer Freiheit aufgeben, um die größte Herausforderung, die der Menschheit je gegenüberstand, gemeinsam zu bekämpfen. Wir kämpfen damit nicht unbedingt für uns selbst, sondern vor allem für die kommenden Generationen. Es wird unbequem. Deswegen scheint sich die Gesellschaft langsam, aber bestimmt aufzuteilen in die, die ,,for future‘‘ auf die Straße gehen – und die, die eine kommende Katastrophe so gut es geht ignorieren.

Die Flucht vor der Realität ist ein Grundbedürfnis von Menschen und ging selten so einfach wie heute. Mit Serien, zum Beispiel. Es scheint paradox, wie ein ganz anderes Thema so viele Menschen dieses Jahr schwerst beschäftigt hat: die achte Staffel von Game of Thrones. Ab dem 15. April diesen Jahres in Deutschland ausgestrahlt. Ungefähr 90 Millionen US Dollar teuer. In den Monaten davor kursierten etliche Fantheorien über den Fortgang der Serie im Internet, und auch als nicht-Fan kam man bald nicht mehr daran vorbei, alles über die aktuelle Handlung zu wissen. Denn egal ob in der Mensa, beim Kaffeetrinken, beim Supermarkt an der Kasse oder in der Bahn, ständig bekam man Diskussionsfetzen um die Ohren gehauen. Die finale Staffel war für viele Game of Thrones Anhänger von so hoher Wichtigkeit, dass eine Petition für ein Remake von hunderttausenden Fans unterzeichnet wurde. Da fragt man sich doch schon manchmal, ob dieses Engagement so vieler Menschen nicht irgendwie an anderer Stelle eher gebraucht würde. Immerhin handelt es sich um eine komplett fiktive Welt, über deren Wendungen sich die Leute da so extrem aufregen – dabei gibt es doch in der Realität doch genug Probleme, in die man sich aus guten Gründen hineinsteigern könnte. Aber unterscheiden sich die Probleme in diesen beiden Welten überhaupt so sehr?

Dass die Serie Game of Thrones metaphorisch ziemlich deutlich das Problem der Klimakrise zum Ausdruck bringt, dürfte einigen Fans schon aufgefallen sein. Folge für Folge bauen sich politische Intrigen zwischen verschiedenen herrschenden Familien in Westeros auf. Es werden Allianzen geschlossen und dann wieder hingeworfen, Mordanschläge auf Menschen ausgeübt, politische Gefangene festgehalten, es ist ein ewiger Kampf um Macht. Bestimmte Personen scheinen ,,die Guten‘‘ zu sein, dann wendet sich das Blatt komplett. Wer handelt moralisch, wer richtig, wer politisch klug? Ein ewiges hin und her über sieben Staffeln, wo massenweise Energie auf eigentlich ziemlich unbedeutende Konflikte verloren geht, wie man dann endlich erkennen soll. Denn die gegen- und miteinander kämpfenden Häuser haben doch von Beginn an einen gemeinsamen Feind, den es gemeinsam zu bekämpfen gilt: Die weißen Wanderer. Mystische Wesen, die eigentlich seit Jahrtausenden nicht mehr existieren sollten. An deren Existenz der Großteil der Bevölkerung zu Beginn der Serie nicht mehr glaubt, selbst die als „gut“ und „weise“ auftretenden Charaktere. Es handelt sich um menschenähnliche Wesen mit eisblauen Augen, die jedoch größer und viel stärker als Menschen sind. Sie bringen Tod und Eisige Kälte. Sie können Tote auferstehen lassen (,,Wiedergänger‘‘) und diese zu ihren Zwecken kontrollieren.

Seit Jahrtausenden hat die Weißen Wanderer kein Mensch mehr zu Gesicht bekommen, seit sie in einem harten Kampf gegen die Menschheit in den Norden gedrängt werden konnten. Zum Schutz der Menschen wurde dort mit Magie eine Mauer aus Stahl und Eis errichtet, die unüberwindbar scheint. Dass die Weißen Wanderer der eigentliche Feind, das eigentlich Böse in der Serie sind, wird schon in der allerersten Szene der Serie klar, als einige Wächter der auf der Mauer patrouillierenden ,,Nachtwache‘‘ von ihnen ermordet werden. Der einzige der Wächter, der fliehen kann, wird enthauptet, da ihm selbst der ,,gute‘‘ Eddard Stark keinen Glauben schenkt. Dabei wird der Leitspruch der im Norden lebenden Familie Stark doch von Beginn an immer wieder widerholt: „Winter is coming“. Paradox erscheinen angesichts des drohenden gemeinsamen Feindes die kommenden politischen Kämpfe und Intrigen, wo doch alle ein unaufhaltsames Problem teilen, welches keines der Häuser im Alleingang bekämpfen kann. Denn die Weißen Wanderer werden immer mehr und streben nach Eroberung des Südens. Ähnlich paradox kommen uns heute politische Konflikte auf der ganzen Welt vor, in Zeiten, wo die Menschheit doch zum ersten Mal einem heftigen Problem, das alle betrifft, gegenübersteht.

Die Weißen Wanderer sind eine in vieler Hinsicht perfekte Metapher des Klimawandels. Nicht als einzelne Personen, sondern als Masse werden sie zur Gefahr. Sie sind irgendwie tot und lebendig zugleich, oder etwas dazwischen. Sie sprechen nicht und bleiben lange etwas Unbekanntes, Mystisches. Der Klimawandel ist ein Feind, mit dem es sich ähnlich schwer umgehen lässt. Er hat kein Gesicht, er ist für uns Menschen nicht greifbar, niemand kennt die Härte seiner Auswirkungen. Er erzeugt ein ähnliches Gefühl von Schauer wie die Weißen Wanderer, deren Absichten Zuschauer von Game of Thrones nicht einschätzen können. Der ,,Nachtkönig‘‘, der erste Weiße Wanderer, welcher die anderen erschaffen hat und kontrolliert, wirkt zunächst wie ein eher langweiliger Bösewicht. Er ist kein vielschichtiger Charakter, nicht zwiegespalten, seine Boshaftigkeit hat keinen speziellen Hintergrund. Man kennt seine Motivation nicht, er ist einfach böse, und handelt doch klug und strategisch. Unaufhaltsam erschafft er sich eine größere Armee aus Weißen Wanderern und Wiedergängern und wandert mit diesen gen Süden, wo sich die verfeindeten Häuser mit selbstgemachten Problemen herumschlagen. Wie der Klimawandel ist er kein Bösewicht in dem Sinne, dass er wirklich böse, egoistische Absichten hat. Es gibt ihn einfach, und seine Macht vermehrt sich exponentiell. Wie der Klimawandel wird er, als ihn Teile der Menschen erstmals als existente Bedrohung erkannt haben, schneller zur echten Bedrohung, als sie geahnt hatten.

Das Interessante ist nun die Geschichte, wie der Nachtkönig in Game of Thrones entstanden ist. Er war ursprünglich ein Mensch, der vor Ewigkeiten lebte. In einer Zeit, in der die ersten Menschen nach Westeros kamen, und den dort bisher lebenden „Kindern des Waldes“, elfenhaften Naturwesen, den Lebensraum streitig machten. Ein Symbol für die wachsende Umweltzerstörung und -ausbeutung durch die moderne Gesellschaft seit der Industrialisierung? In der Welt von Game of Thrones erschufen die Kinder des Waldes aus Verzweiflung in ihrer Unterlegenheit gegen die Waffen der Menschen den ,,Nachtkönig‘‘, indem sie einem gefangenen Menschen eine magische Waffe ins Herz stachen. So entstand eine neue Gefahr aus der Verantwortung der Menschen heraus in Kombination mit einer Natur, die sich gegen ihre Ausbeutung wehrte. Diese Gefahr konnte aber bald schon niemand mehr kontrollieren. Sie musste gemeinschaftlich von den Kindern des Waldes und den Menschen bekämpft und eine magische Mauer zum Schutz der Menschen erbaut werden.

Wie genau der Nachtkönig besiegt werden kann, weiß lange niemand im Universum von Game of Thrones. Die uneinschätzbare Gefahr steckt im Körper eines einstigen Menschen, denn die Menschen haben jene Gefahr unbeabsichtigt selbst geschaffen. Und die größte Quelle seiner Macht sind wiederum die Menschen selbst. Mit jedem Toten erhält er ein potenzielles neues Mitglied seiner Armee von Untoten, die beständig Richtung Süden wandert. Auf ähnliche Weise nähren wir heute beständig die Klimaerwärmung durch immer mehr werdende CO2 Emissionen. Wie wir im neuesten Klimapaket der GroKo gesehen haben, wird reine Symbolpolitik betrieben. Die Devise: ,,Ja, der Klimawandel ist wichtig, und wir tun ja auch was dagegen. Nur halt nicht zu viel. Es gibt ja noch ganz viel andere wichtige Sachen zu tun.‘‘ Und währenddessen werden Gelder in z.B. die Förderung fossiler Brennstoffe und Entwicklung neuer, klimaschädlicher, aber wirtschaftlich vielversprechender Technologien gesteckt. Kohleausstieg bis 2038, obwohl jeder weiß, dass das nicht reichen wird, um gegen den Endgegner anzutreten.

In der siebten Staffel von Game of Thrones verliert die Herrscherin Daenerys Targaryen schließlich bei dem Versuch, Weiße Wanderer zu bekämpfen, einen ihrer drei feuerspeienden Drachen. Der Nachtkönig ermordet ihn mit einem Speer und erweckt ihn schließlich in einer die Staffel abschließenden Szene zu einem Zombie-Drachen mit eisblauen Wiedergänger-Augen, den er nun selbst im Kampf gegen die Menschheit einsetzen kann. Mit dem Feuer des untoten Drachen schmilzt er die für unzerstörbar gehaltene Mauer, woraufhin in einem schaurigen Abschlussbild die gigantische Armee von Untoten gen Süden weiterzieht, den Menschen entgegen. In diesem Bild steckt so unfassbar viel Klimawandel, dass diese Interpretation ein bisschen dauern kann, also holt euch jetzt vielleicht nochmal einen Kaffee, bevor ihr weiterlest.

Also. Der Drache ist erstmal die aktuell mächtigste Waffe der Menschen gegeneinander und gegen die Weißen Wanderer, ihre Superkraft, wie eine ultimativ innovative technische Entwicklung in unserer Welt. Durch Unachtsamkeit, dadurch, dass sie den Nachtkönig als Bedrohung nicht einschätzen kann, verliert Daenerys ihn – und stärkt den Nachtkönig somit extrem. Diese Situation erinnert an die gefürchteten Rückkopplungseffekte in der menschengemachten Klimakrise. Den Grund, aus dem es das im Pariser Klimaabkommen festgehaltene zwei-Grad-Ziel überhaupt gibt. Denn bei einer Erwärmung der Durchschnittstemperatur der Erde um über zwei Grad kann der Prozess der kontinuierlichen globalen Erwärmung nicht mehr durch noch so hohe Anstrengungen der Menschheit aufgehalten werden. Dies hängt beispielsweise mit der Gefahr der schmelzenden Permafrostböden in Sibirien zusammen, was bei einer Erwärmung um mindestens zwei Grad, wie sie aktuell zu erwarten ist, beschleunigt geschehen wird. Hier verbergen sich enorme Mengen an CO2 und Methan, welches im Vergleich zu CO2 ein um den Faktor 28 stärkeres Treibhausgas ist. Schätzungsweise sind allein in den Permafrostböden ca. 1.500 Gigatonnen Kohlenstoff eingeschlossen, also fast doppelt so viel wie aktuell in der gesamten Erdatmosphäre (800 Gigatonnen). Die Eiskappen der Arktis schützen auch daher vor Temperaturanstieg, da die weißen Eisflächen vereinfacht gesagt Licht und Wärme reflektieren, während die Ozeane Wärme eher aufnehmen. Das ,,ewige Eis‘‘, welches, wie wir schmerzlich erkennen müssen, überhaupt nicht ,,ewig‘‘ ist, ist somit tatsächlich so etwas wie die magische Mauer in Game of Thrones für uns Menschen. Und mit ähnlicher Gewissheit haben wir uns auf seine Unzerstörbarkeit verlassen. Steuern wir aber auf Kippunkte im Temperaturanstieg zu, dann können wir ab einem bestimmten Punkt nichts mehr ausrichten. Das Werk der Menschheit selbst richtet sich dann mit vervielfachter, unkontrollierbarer Kraft gegen sie. Unser untoter Drache schmilzt das Eis weiter und weiter. Die haarsträubende Szene, in der große Eisstücke aus der so erhaben wirkenden, riesigen Mauer herausbrechen, als das Drachenfeuer sie trifft, erinnert heftig an Bilder von gigantischen, abbrechenden Eisblöcken in der Arktis. Winter is here.

Und dann ist da noch die Sache mit den uralten Viren, welche in den Permafrostböden eingefroren sind. Es könnten sich hier für ausgerottet gehaltene Viren wie die Pocken konserviert halten, welche bei Schmelze der Permafrostböden erneut in Umlauf geraten könnten. Wissenschaftler sind sich jedoch äußerst uneinig, ob dieses Szenario tatsächlich eine potenzielle Gefahr für Epidemien birgt, mit welchen der menschliche Organismus nicht umgehen kann. Es passt aber äußerst gut zu dem Bild der Weißen Wanderer in Game of Thrones, welche die eiserne Mauer durchbrechen. Die Menschheit glaubt, eine Gefahr seit Langem ausgerottet zu haben. Und dann holt sie diese wieder ein, ausgelöst durch den Fortschritt der Menschheit selbst.

Sollten die Regierungen der Welt keine radikalen Maßnahmen ergreifen, ist das Eintreten von Rückkopplungen durch beispielsweise das Schmelzen der Permafrostböden äußerst wahrscheinlich. Wir würden dann eventuell auf eine ,,Heißzeit‘‘ zusteuern. Dürren, Missernten, das Zusammenbrechen zahlreicher Ökosysteme und massive Stürme wären die Folge. Der Meeresspiegel steigt laut dem aktuellen Bericht des Weltklimarats IPPC weitaus schneller an, als erwartet. Und Regierungschefs wie Vladimir Putin oder Donald Trump machen keine Anstalten, diese Warnungen ernst zu nehmen. Dabei ist die Gefahr so langsam unmittelbar sichtbar. Küstennahe Metropolen wie New York City, aber auch Hamburg könnten bereits um 2050 von massiven Überschwemmungen betroffen sein, ganz zu schweigen von ganzen Inselgruppen wie Fidschi. Und trotz dieses immer heftiger werdenden Drucks der Wissenschaft glänzen bestimmte Entscheidungsträger in der Kunst der Ignoranz. Game of Thrones-Fans erinnern sich an die Szene, in welcher Jon Snow der verfeindeten Cercei Lannister einen gefangenen Untoten vorführt, um ihr die Dringlichkeit des Handelns gegen die Weißen Wanderer klar zu machen. Und anhand ihres entsetzten Gesichtsausdrucks geht der Zuschauer kurz davon aus, die verfeindeten Häuser in Westeros würden jetzt endlich vernünftig werden und gemeinsame Sache machen. Aber falsch gedacht. Die Macht der Verdrängung ist ungeheuer, wie Trump es uns in unserer Welt beweist. Lasst uns doch einfach glücklich in eine ,,bright and wonderful future‘‘ schauen. Das deprimierende ist, dass wie auch in Game of Thrones schon seit Langem klar ist, mit welchem Endgegner wir es zu tun haben. 1896 beschrieb der spätere Nobelpreisträger Svante Arrhenius erstmals den Treibhauseffekt und dessen potenzielle Folgen für globale Erwärmung.

Winter is coming. Ein ewiges Mantra. Ich habe das Gefühl, wir hören es gerade täglich im Fernsehen und im Radio, lesen es in der Zeitung. Wir wissen es, und verarbeiten unsere eigene Hilflosigkeit mit Protest oder Resignation – oder eben in Fantasieuniversen. Man könnte sich die Frage stellen, wozu wir überhaupt noch Serien brauchen. Die Nachrichten sind ein Lied von Eis und Feuer geworden. Schmelzende Gletscher, Feuer im Amazonas. Drohende Extremwetterlagen. Und es dreht sich immer weiter. Wir leben in einer verdammt abenteuerlichen Zeit, die Helden braucht. Helden, die sich der Wahrheit stellen und die die Wahrheit weiterbringen. Helden, die wissen, wofür sie kämpfen. Anschuldigungen an Einzelpersonen können dafür keine Lösung sein. Helden dürfen sich nicht über andere stellen, sondern sollten sie mitnehmen. Im Kampf gegen den Klimawandel wird jeder von uns zum Helden. Jeder wird in einem Kampf gebraucht, der nicht durch wenige Einzelne ausgefochten werden kann. Und dafür müssen wir nicht einmal gegen Zombies kämpfen. Was wir tun können, ist vor allem Druck machen, auf die Straße gehen. Natürlich müssen wir bei uns selbst anfangen. Aber wirkliche Veränderungen können nur auf politischer Ebene erreicht werden.

Wir wissen es schon lange. Jetzt müssen wir nur noch in der Wirklichkeit ankommen – Mut zur Wahrheit beweisen – und wissen, dass aufgeben keine Lösung ist. Es ist dringend. Winter is here.